Der Marktmacher
und unterhielten sich. Es war ein Höllenspektakel. Ich schloß die Augen: Das Schnattern, Gelächter und pa u senlose Piepsen der Handys hörte sich an, als befände man sich in einem überlaufenen Café.
Alle schienen sie Isabel irgendwie zu kennen und nahmen mich freundlich auf. Trotz meiner grotesk bleichen Haut fühlte ich mich rasch heimisch. Das lokale Strandbier floß in Strömen. Ich entspannte mich und ließ mich vom liebenswürdigen Charme der Carioca -Gastfreundlichkeit gefangennehmen.
Neugierig beobachtete ich Isabel und ihre Freunde. Sie erschien mir viel lockerer als bei Dekker Ward. Sie lächelte, lachte, klatschte und stritt sich mit bezaubernder Unbefangenheit. Es war, als hätte sich die wirkliche Isabel, die Is a bel, von der ich bisher nur einen flüchtigen, rauschha f ten Eindruck gewonnen hatte, plötzlich aus dem übermächt i gen Schatten von Dekker Ward gelöst.
Um vier brachen wir auf und fuhren ins Copacabana Palace Hotel zurück. An einer Kreuzung mußten wir halten. An der Ecke lehnten zwei Polizisten lässig an ihrem blauweißen Einsatzwagen. Sie trugen Baseballkappen, dunkle Brillen und auf den Hemden kleine Schildchen mit ihren Vornamen. Direkt unter ihren Augen boten kleine Mädchen ohne sonderlich großen Erfolg ihre Dienste im Rein i gen von Windschutzscheiben an. Hinter ihnen stand ein großer, schäbig gekleideter Mann vor einem geparkten Auto und pinkelte gegen dessen Seitenfenster. Ungerührt rauchten die Polizisten ihre Zigaretten.
Weiter ging es am Strand von Ipanema vorbei, wo ich niedergestochen worden war. Die Favela auf der Klippe über dem Strand machte einen belebten, aber friedlichen Eindruck. Irgendwo dort mußten sich unsere Angreifer b e finden.
Isabel sah meine Anspannung und drückte mir die Hand . » Versuche es ganz einfach zu vergessen«, sagte sie.
»Gar nicht so leicht.« Ich schluckte. Den Rest der Fahrt verbrachten wir in Schweigen.
Im Hotel kam Isabel zu mir aufs Zimmer. Wir liebten uns langsam und hingebungsvoll, die Hitze der Sonne und des Sandes in uns. Hinterher, als Isabels schwarzes Haar wie ein leichtes, weiches Tuch auf meiner Brust lag, stellte ich ihr eine Frage, die mit einem Mal sehr wichtig für mich geworden war.
»Isabel.«
»Ja?«
»Werde ich dich wiedersehen? Ich meine, wenn wir wieder in London sind?«
Sie hob den Kopf und sah mir lächelnd in die Augen . » Natürlich, du Dummkopf.«
Ich zog sie wieder an meine Brust. »Gut.«
Während ich ihr übers Haar strich, überlegte ich, wie sich unsere Beziehung wohl in der Zukunft entwickeln würde. Bisher hatte es nur eine ernsthafte Beziehung in meinem Leben gegeben, die zu Joanna. Fünf Jahre hatte sie gedauert, fünf Jahre, die mir nun vergeudet erschienen. Natürlich war es hin und wieder auch schön gewesen mit ihr, aber das waren Augenblicke, an die ich mich kaum mehr erinnerte. Woran ich mich erinnerte, das waren die täglichen Machtkämpfe, in denen es um Kleinigkeiten ging. Immer hatte ich Joanna nachgegeben, weil ich die Anlässe zu lächerlich fand. Als sie sich dann mit Wes aus dem Staub gemacht hatte, war mir meine frisch erworbene Unabhängigkeit ganz wunderbar erschienen.
Seither hatte ich es vermieden, eine neue Beziehung einzugehen. Ich war zwar mit Frauen ausgegangen, hatte mich aber stets frühzeitig wieder zurückgezogen. Ich fürchtete eine ernsthafte Bindung und wachte ängstlich über meine Unabhängigkeit.
Isabel war so ganz anders als Joanna, zumindest als die Joanna, an die ich mich noch erinnerte. Isabel war eine starke, unabhängige Frau, aber sie war auch natürlich, freundlich und warmherzig. Und sie war sehr schön.
Sie ist das Risiko wert, sagte ich mir, als hätte ich überhaupt noch die Wahl. Es war längst um mich geschehen. Meine Gefühle hatten sich verselbständigt. Ich freute mich auf die Zeit, die vor uns lag.
Aber natürlich gab es da auch noch den Beruf. Obwohl Dekker Ward weit weg zu sein schien, mußten wir uns am nächsten Tag in São Paulo wieder an die Arbeit machen. Dann würden wir nach London fliegen, und ich würde kündigen. Ich fragte mich, wie Ricardo es aufnehmen würde. Nicht sehr gut vermutlich. Und Eduardo? Mir war bei dem Gedanken alles andere als wohl in meiner Haut.
»Stimmt es, daß Eduardo schon mal jemand umgebracht hat? Einen Studenten?« fragte ich.
Isabel antwortete nicht gleich. Ihr Kopf lag regungslos auf meiner Brust.
»Nein«, sagte sie schließlich.
»Überrascht hätte es mich nicht, aber es ist wohl
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