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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Klicken eines Revolvers.
    Ich blickte auf Isabel. Ihre Augen flehten mich an, weiterzulaufen. Sollte ich bei ihr bleiben? Waren die Chancen, sie zu befreien, größer, wenn ich blieb oder wenn ich mich absetzte?
    Der Himmel allein wußte es.
    »Um Gottes willen, lauf doch endlich!« schrie sie.
    Ich lief.
    Als ich den Pfad hinunterstolperte, blickte ich noch einmal zurück und sah, daß die beiden Männer bei dem Busch halt gemacht hatten, in dem sich Isabel mit den Händen verfangen hatte. Ich betete, daß ihr nichts geschah.
    Ich lief weiter, zerkratzte mir das Gesicht an Zweigen und schlug mir die Knie an Steinen auf. Unbeirrt folgte ich dem kaum erkennbaren Pfad, der talabwärts führte. Nach etwa zehn Minuten hielt ich an, um zu lauschen.
    Abgesehen von den nächtlichen Geräuschen des Waldes vernahm ich nichts. Offenbar verfolgte mich niemand. Ich setzte mich auf einen Baumstamm und versuchte wieder zu Atem zu kommen.
    Über mir verdeckte das Blätterwerk hoher Bäume den Nachthimmel. Kletterpflanzen hingen von den Ästen herab. Der Boden war dunkel, morastig und von einer dichten, unbekannten Vegetation bedeckt. Es war überhaupt nicht daran zu denken, den Pfad zu verlassen – mit meinen gefesselten Händen würde ich nicht weit kommen. Aber wenn ich dem Pfad folgte, bis er auf eine Straße traf, mußte ich dann nicht damit rechnen, daß dort bereits j e mand auf mich wartete? Ich hatte keine andere Wahl. Ich mußte we i terlaufen, bevor sie sich einen Plan zurechtlegen kon n ten.
    Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, daß der Pfad weiter bergab führte. Von den schottischen Highlands wußte ich, daß man sich immer talabwärts halten muß, wenn man sich dort im Gelände verlaufen hat. Irgendwann stößt man unweigerlich auf bewohntes Gebiet. Warum sollte diese Methode nicht auch im brasilianischen Urwald klappen?
    Mit einiger Sicherheit befanden wir uns im Tijuca-Wald, einem atlantischen Regenwald im Westen von Rio. Sehr ausgedehnt konnte er nicht sein. Früher oder später mußte ich auf eine Siedlung stoßen. Mußte ich das?
    Nach ungefähr einer halben Stunde kam ich an ein Flußbett. Es war durchsetzt mit riesigen Felsen, zwischen denen sich das Wasser in einem Rinnsal seinen Weg suchte. Die Felsbrocken waren offenbar von früheren Fluten hierher getragen worden. Angesichts des Unwetters, das ich am Abend zuvor erlebt hatte, war ich nur allzugern b e reit, zu glauben, daß solche Flüßchen zu gewaltigen Str ö men anschwellen konnten. Das war genau das, was mir jetzt noch gefehlt hätte: reißende Wassermassen.
    Ich beschloß, den Pfad zu verlassen und dem Flüßchen in Fließrichtung zu folgen, in der Hoffnung, auf diese Weise dem Empfangskomitee am Ende des Pfades zu entgehen. In der Dunkelheit einen Weg zwischen den Felsbro c ken zu suchen, war ein mühsames Geschäft. Ich kam nur langsam voran.
    Als der Himmel sich langsam aufzuhellen begann, erblickte ich eine Brücke in einiger Entfernung unter mir. Ich blieb neben einem der Felsen stehen und schöpfte Atem. Vielleicht warteten sie an der Brücke auf mich? Würden die Kidnapper mich erwischen, wenn ich der Straße folgte? Ich hatte keine Ahnung, beschloß aber, kein Risiko einzugehen. Ich würde mich weiter an das Flü ß chen halten, unter der Brücke hindurchgehen, bis ich auf bewohntes Gebiet traf.
    Allmählich wurde ich müde. Meine Beine waren zerschunden und aufgeschlagen, die Muskeln schmerzten mir. Ich setzte mich auf einen Stein und ruhte mich einen Augenblick lang aus. In Brasilien zieht die Morgendämmerung schnell herauf, so daß sich die Landschaft um mich herum schon bald im Morgenlicht abzuzeichnen begann. Ich war umgeben von Wald und steilen Hügeln, die sich hinter mir in den Himmel erhoben. Die nächtlichen Sti m men waren verstummt, es herrschte ein beunruhigendes Schweigen. Es war mir unheimlich zumute in diesem feuchten, düsteren Wald. Vor mir, den Berg hinab, sah ich nichts als Grau. Im Sitzen wurde mir rasch kalt.
    Doch ein Stück weiter rechts bemerkte ich einen helleren Grauton. Rauch!
    Ich stand auf und stolperte weiter das Flüßchen hinab. Der Rauch kam aus dem Schornstein eines großen Gebäudes, das mit seiner Rückseite fast bis an das Flußbett hera n reichte. Auf einem schmalen Pfad kletterte ich, meinen schmerzenden Muskeln das Letzte abverlangend, die B ö schung empor. Mit Müh und Not erreichte ich deren Rand.
    Ich taumelte um das Gebäude herum. Es schien eine Art Gasthaus zu sein. Ich klingelte an der

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