Der Marktmacher
sagte, er werde am folgenden Tag herauskommen. Wieder machte er uns Mut. Alles verlaufe ganz nach Plan, sagte er.
Am nächsten Morgen führte Luís mich durch den Park. Etwa achthundert Meter weit erstreckte er sich einen sanften Hang hinauf, bis er mit dem Wald verschmolz. Der Anblick war atemberaubend. Zu beiden Seiten und vor uns wuchsen grotesk geformte Berge empor, die offenbar den gleichen geologischen Ursprung hatten wie die Berge in Rios Umgebung. Einer von ihnen ragte nackt und kahl auf, die anderen waren in den unteren Bereichen mit Bäumen und weiter oben mit Wiesen bedeckt. Der Park selbst war ein Tal, das mit Rasenflächen, Bäumen und Büschen b e pflanzt war und auf der einen Seite von einem langen See begrenzt wurde. Die Luft war kühl und klar, wenn auch ein bißchen feucht. Über dem Plätschern des Wassers waren miteinander zankende Vogelstimmen zu hören. Auf dem See erblickte ich schwarze und weiße Schwäne, Flamingos, exotische Enten und eine Vielzahl anderer Wasservogela r ten, die ich nicht kannte.
»Wunderschön«, sagte ich.
»Er ist von Burle Marx angelegt worden, einem Deutschen, der während des Krieges herübergekommen ist. Es ist wirklich ein ungewöhnliches Stück Natur. Mehr als zweitausend Pflanzenarten gibt es in diesem Park. Und im Lauf der Jahre ist er der Schauplatz einiger sehr schöner Feste gewesen.«
Nachdenklich betrachtete ich Luís . Eigentlich sah er ganz und gar nicht wie ein Partylöwe aus. Eher wie ein großer, einsamer Mann, der sich auch unter den gegenwärtig ausgesprochen widrigen Umständen gut hielt.
»Wie lange befindet sich das Anwesen schon in Ihrem Besitz?«
»Ungefähr fünf Jahre.«
Es mußte ein Vermögen gekostet haben. Ich hatte zwar gewußt, daß Isabel aus einer wohlhabenden Familie kam, aber keine Vorstellung von dem Ausmaß des Reichtums gehabt. Es kam mir merkwürdig vor, daß ein solcher Besitz privat genutzt wurde. In England hätte man ein Freilich t museum daraus gemacht.
Luís erriet meine Gedanken. »Wir haben nicht immer Geld gehabt. Ich zumindest nicht. Ich stamme aus einer a l ten brasilianischen Familie, einer der Quatrocentonas , der portugiesischen Familien, die vor vierhundert Jahren nach Brasilien kamen. Mein Urgroßvater besaß im Staat São Paulo Plantagen so groß wie manches europäische Land, dazu dreißigtausend Sklaven. Dann kam die Sklavenbefreiung, der Verfall der Kaffeepreise, die Wirtschaftskrise von neunundzwanzig. Mein Großvater war nicht sehr geschäftstüchtig. Es gibt noch einen kleinen Rest der Besi t zungen, eine kleine Kaffeeplantage, die mein Bruder bewirtschaftet. Aber ich bin fortgegangen.«
Ein Riesenspektakel hob an, als ein weißer Schwan eine schwarze Schwänin zu besteigen versuchte. Luís lachte : » Schauen Sie! Brasilien, wie es leibt und lebt!«
»Sie sind nach Rio gegangen?« fragte ich, neugierig auf seine Geschichte.
»Ja. Ich habe dort studiert und bei einer großen Bank angefangen. Geld hat mich von klein auf fasziniert. Seit vielen Jahren ist Brasiliens Finanzsystem ziemlich komplex. Angesichts von Inflations- und Zinsraten von mehreren tausend Prozent pro Jahr bot sich die Gelegenheit, viel Geld zu machen. 1986 beschloß ich, einen Teil dieses Geldes selbst zu verdienen, und gründete die Banco Horizonte. Wie Sie wissen, ist sie heute eine der größten Investmentbanken in Brasilien. Wir denken sogar daran, nach Übersee zu expandieren. Das ist der Grund, warum ich mir dies hier leisten kann.«
Luís machte keinen Versuch, seinen Stolz zu verbergen, und es gab in der Tat eine Menge, worauf er stolz sein konnte. »Aber es ist ein Jammer, wenn man so etwas au f baut und dann damit rechnen muß, daß es eines Tages mit einem stirbt. Vivian und ich hätten gern einen Sohn g e habt.«
»Vivian war Ihre Frau?«
Er nickte, wandte sich um und blickte zur Fazenda zurück . » Das alles hier hat sie nie gesehen. Nichts von dem, was ich geschaffen habe. Aber vielleicht sieht sie es ja jetzt.«
»Aber Sie haben doch Isabel«, sagte ich.
Luís schnaubte. »Isabel! Wie kann ich sie dazu bekommen, für die Bank zu arbeiten? Sie ist doch viel zu stur. Sie haben ja gehört, was sie gesagt hat. Meine Töchter! Ich glaube, kein Vater versteht seine Töchter. Aber Isabel und Cordelia könnten doch wenigstens einmal etwas Vernunft beweisen. Vielleicht bringt sie diese Geschichte zur Besi n nung.«
»Vielleicht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das so wünschenswert wäre.«
Er warf mir einen
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