Der Marktmacher
Firma sei betroffen, sagte er, aber das Leben müsse weitergehen. Vor allem mußte der Verkauf der mexikanischen Bonds weitergehen. Das Geschäft lief nicht b e sonders, und es standen noch viele Bonds in Dekker Wards Büchern. In Mexiko ließ die Situation, so Jamie, sehr zu wünschen übrig. Die Leute begannen sich zu fr a gen, ob die Regierung in der Lage wäre, die Kredite umzuschulden, die dieses Jahr fällig wurden.
Was kümmerte mich das?
Von der Polizei erfuhren wir, daß man Zicos Stimme wiedererkannt hatte. Sie war in zwei früheren Entführungsfällen registriert worden. Jedesmal waren die Opfer gut behandelt und am Ende wohlbehalten auf freien Fuß gesetzt worden. Diese Nachricht gab Luís neuen Mut. Mir auch.
Doch das Warten begann auch mehr und mehr an unseren Nerven zu zerren. Isabels Entführung war erst vier Tage her; die Zeit kam uns aber viel länger vor. Nelson hatte uns gesagt, daß wir uns auf eine lange Wartezeit einrichten müßten. Diese Fälle zogen sich Wochen, manchmal Mon a te hin. Trotzdem dachten Luís , Cordelia und ich jedesmal, wenn das Telefon läutete, nun würde endlich die Einigung über Isabels Freilassung erzielt. Natürlich ging es nicht so schnell.
Auf Cordelias Vorschlag hin fuhren wir übers Wochenende auf Luís ’ Fazenda in der Nähe von Petrópolis. Das gehörte zu den Gepflogenheiten der Familie, und Cordelia glaubte, daß ihrem Vater ein Tapetenwechsel gut tun wü r de. Er machte sich Sorgen, daß Zico uns nicht erreichen könnte, aber sie sagte, es sei ja immer jemand in der Wohnung, der die neue Telefonnummer weitergeben würde. Was könnte Zico schon groß dagegen einzuwenden haben?
Am Freitag nachmittag holte mich Luís im Hotel ab. Sei n C hauffeur fuhr uns zum kleinen Flughafen Santos Dumont im Herzen der Stadt. Ich war überrascht. Petrópolis liegt nur vierzig Kilometer entfernt; niemand hatte erwähnt, daß wir fliegen würden. Luís war abgelenkt, als er mich durch das Flughafengebäude zu einem Kleinbus führte, der uns zu einem blauen Hubschrauber brachte. Zwei der fünf Sitze waren bereits von Cordelia und ihrem Mann besetzt. Während ich in den Hubschrauber kletterte, versuchte ich den Eindruck zu erwecken, als sei das die n a türlichste Sache der Welt für mich. Zwei Minuten später war der Hubschrauber in der Luft und nahm Kurs auf die Guanabara-Bucht.
N ach zwanzig Minuten erreichten wir die Berge. Die Straßen und Häuserzeilen wanden sich unter uns wie Schla n gen durch die Hügel. Wir gingen etwas herunter, so daß wir zu beiden Seiten von waldbedeckten Bergen umgeben waren. Dann umflogen wir einen Bergvorsprung, und da, unter nackten Felswänden lag sie, ein großes weißes Haus inmitten eines üppigen Parks mit Baumgruppen und einem See. Hinter dem Haus befand sich eine Rasenfläche, auf die ein großes »H« gemalt war.
Einst war die Fazenda das Herzstück einer großen Kaffeeplantage gewesen. Die Zimmer waren geräumig und kühl, die Möbel geschmackvoll, ohne protzig zu sein: dunkle Edelhölzer, chinesische Vasen, französische G e mälde aus dem 19. Jahrhundert. Es war ein paar Grad kü h ler als in Rio, aber immer noch warm, gemessen an den Verhältnissen, an die ich gewöhnt war. Trotzdem knisterte ein großes Kaminfeuer im Wohnzimmer.
Sobald wir angekommen waren, entspannte sich Luís sichtlich. Ich verstand, warum Cordelia auf den Wochenendausflug bestanden hatte. Es war ein liebgewonnenes Ritual, am Freitagabend hierherzukommen und abzuschalten. Und Abschalten, das hatten wir alle bitter nötig.
An diesem Abend war die Stimmung fast normal. Fernando, Cordelias Mann, war ein angenehmer Gesellschafter, ein Anwalt mit trockenem Humor, der nicht bereit war, sich oder Brasilien allzu ernst zu nehmen. Er betete Cord e lia förmlich an.
Wir hatten uns gerade zum Abendessen um das eine Ende eines lächerlich langen Eßtisches versammelt und lachten – wirklich, wir lachten –, als plötzlich das Telefon läutete.
Es gab einen Apparat im Eßzimmer. An Luís ’ Reaktion konnten wir ablesen, wer der Anrufer war. Luís war vorbereitet. Besorgt, aber beherrscht sprach er ins Telefon. Keine zwei Minuten dauerte das Gespräch. Zico erklärte, eine Million seien eine Beleidigung. Luís erwiderte, fünfzig Mi l lionen seien absurd. Zico war nicht bereit, von seiner Fo r derung abzugehen. Luís erhöhte auf anderthalb Millionen, um Zico zu zeigen, daß er die Regeln verstanden hatte und mitspielte.
Sofort danach rief Luís Nelson an, der
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