Der Marktmacher
glaubte ihm ebensowenig wie ich. Wir waren glücklich, daß en d lich der Prozeß begonnen hatte, der am Ende zu Isabels Freilassung führen würde.
Nelson kam zum Frühstück. Luís wirkte beinahe gelöst.
»Nun müssen wir uns über die Taktik unterhalten«, sagte Nelson. Er trug ein schreiend rotes Hemd, aus dessen offenem Kragen Büschel grauen Haares hervorsahen. Er sprach rasch, wählte seine Worte sorgfältig und wirkte sehr beherrscht. Mit der Einschätzung, daß es sich bei der e r sten Anrufserie um einen Bluff handeln müsse, hatte er seine Kompetenz unter Beweis gestellt. Es war jetzt leichter, ihm zu vertrauen.
»In Ordnung«, sagte Luís .
»Wir müssen uns darüber klarwerden, wieviel Sie für Isabel zu bezahlen bereit sind.«
»Lächerlich!« protestierte Luís . »Die Antwort lautet natürlich: jeden Preis.«
»Nein«, sagte Nelson, »das ist nicht die richtige Antwort. Vergessen Sie nicht, das hier ist eine geschäftliche Transaktion. Die Antwort muß lauten, die kleinste Summe, mit der sich die Entführer zufriedengeben. Sehen Sie, die Entfü h rer können nicht genau wissen, wieviel Geld Sie haben. Irgendwann kommen wir an einen Punkt, wo wir sagen müssen, das ist unser letztes Angebot. Dann werden die Entführer , vorausgesetzt, sie glauben uns, Ihre Tochter fre i lassen.«
Luís tat einen tiefen Atemzug. »Okay.«
»Gut. Also, wieviel können Sie flüssig machen?«
Plötzlich hatte ich das Gefühl, hier fehl am Platze zu sein. Gleich würde dieser Mann, den ich kaum kannte und der sogar ein Konkurrent meines Arbeitgebers war, seine ganz persönliche finanzielle Situation offenlegen. Ich stand auf . » Vielleicht sollte ich lieber …«
Luís hob die Hand. »Nein, bitte bleiben Sie.«
Ich zögerte. Er meinte es ehrlich. Auch Nelson nickte mir zu. »Okay«, sagte ich und setzte mich wieder.
»Wahrscheinlich kann ich bis zu fünf Millionen Dollar flüssig machen«, sagte Luís . »Vielleicht ein bißchen mehr. Dazu müßte ich allerdings mit Kollegen sprechen. Ohne Geld aufzunehmen, geht das aber auf gar keinen Fall.«
»Gut«, sagte Nelson. »Ich hoffe, daß wir viel weniger brauchen.« Er zog wieder Notizbuch und Kugelschreiber hervor . » Spielen wir ein paar Zahlen durch. Der Durchschnittspreis in Rio liegt augenblicklich bei zweihunderttausend Dollar. Aber ich denke, die Gegenseite weiß, wie wohlhabend Sie sind, oder vermutet es zumindest. Die erste Forderung war sehr hoch.«
»Ich kann keine fünfzig Millionen zahlen«, sagte Luís .
»Das erwarten sie auch nicht. Eine zweite Faustregel besagt, daß man sich ungefähr bei einem Zehntel der ersten Forderung einigt. Das wären in diesem Fall fünf Mi l lionen Dollar. Aber auch das ist noch viel zu hoch für die gege n wärtige Marktsituation in Rio.«
»Das könnte ich notfalls aufbringen.«
Nelson schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, zwei Millionen müßten reichen. Eine Million könnten Sie von Dekker Wards Versicherungsgesellschaft zurückverlangen. Allerdings würden Sie wohl das Bargeld zunächst vorschi e ßen müssen.«
»Vielleicht könnte Dekker Ward aushelfen«, schlug ich vor.
Luís kniff für einen Augenblick die Augen zusammen . » Nein, vielen Dank. Ich habe nicht die Absicht, mir von Ricardo Ross Geld zu leihen.«
Die Geschwindigkeit seiner Reaktion überraschte mich, aber es freute mich andererseits, daß er seine Geistesg e genwart wiedergefunden hatte.
Lange Zeit konnten Nelson und Luís sich nicht auf ein Limit einigen, endlich erklärten sich aber beide mit drei Millionen Dollar einverstanden.
»Gut, damit haben wir eine Zahl«, sagte Nelson. »Wir können nicht erwarten, daß es zu einer raschen Einigung hinsichtlich des Lösegelds kommt. Wir müssen den Kidnappern Gelegenheit geben, die Grenzen ein bißchen auszutesten, damit sie das Gefühl haben, daß hier wirklich verhandelt wird. Sonst werden sie uns nicht glauben, daß drei Millionen wirklich unser letztes Angebot sind.«
Luís öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen.
»Wenn wir ihnen mehr Geld anbieten, bekommen wir Isabel deshalb nicht schneller frei, glauben Sie mir!«
Luís sah ein, daß Nelson recht hatte, und nickte.
»Ich schlage vor, daß wir mit einer Million Dollar anfangen und dann in Sprüngen von jeweils einer halben Million auf zwei Millionen erhöhen. Anschließend müssen wir kleinere Schritte machen, damit es so aussieht, als fi e len uns weitere Erhöhungen sehr schwer. Unser Ziel muß es sein, die Verhandlungen
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