Der Marquis schreibt einen unerhörten Brief
den Frauen zu sprechen pflege, doch ich versichere Ihnen, bei einigen ist die Wahrheit noch schlimmer als die Verleumdung. Mehr als einmal ließ Dona Brigida mich an die Gottesanbeterin denken, jenes erhabene, geheimnisvolle Geschöpf, das nach der Begattung das Männchen verschlingt. »Da hast du mich«, sagte ich einst bei einer bestimmten Gelegenheit und steckte ihr einen Finger zwischen die Zähne. Und sie, anstatt meine Aufforderung als Scherz aufzufassen, schlug ihre Zähne erbarmungslos hinein. Ein grausamer Biß. Sie ließ den Finger erst los, als sie sah, daß ich einer Ohnmacht nahe war. Heute noch frage ich mich: Was wollte diese Frau mir an jenem Tag beweisen? Wollte sie mir zu verstehen geben, daß ihr nach unserer rührigen Liebesbegegnung immer noch Kräfte genug blieben, um mich mit den Zähnen zu zerstückeln? Wollte sie mir sagen, daß ich nicht Manns genug war, sie zu erschöpfen? Lassen Sie dieses Grinsen, Bautista, versuchen Sie nicht, die Sache als halb so wild hinzustellen. Kommen Sie mir nicht mit dummen Geschichten oder gar mit dem Versuch, diese Männerfresserin zu verteidigen. Ich glaube nicht an dieses »Ich hab’ dich zum Fressen gern«. Unter anderem deshalb nicht, weil Dona Brigida nicht in mich verliebt war. Sie war es nie. Das einzige, was ich ihr zugestehen will, ist eine aberwitzige Leidenschaft für die Liebe als solche, denn das kommt mehr oder minder bei allen Liebhaberinnen jenseits der vierzig vor. Ich versichere Ihnen, das einzige, was diese Damen wirklich interessiert, ist, sich selbst zu beweisen, daß sie noch immer einer leidenschaftlichen Liebe fähig sind. Verlieren wir jedoch unsere Zeit nicht mit der Baronin. Kehren wir zu dem Punkt zurück, an dem wir stehengeblieben waren. Wenn der Herr Graf sich erlaubt, ironische Bemerkungen über die Glaubwürdigkeit meines kontemplativen Lebens zu machen, müssen Sie ihm begreiflich machen, daß die Tatsache, sich einmal die Woche, gewissermaßen auf ärztliche Anordnung hin, mit Dona Brigida niederzulegen, mitnichten bedeutet, daß ich ein doppeltes Spiel treibe. Sagen Sie ihm, daß meine Einsamkeit stets unversehrt geblieben ist, unbeschadet jeder erotischen Spielerei. Gut. Legen wir diese Sache jetzt ad acta. Der Herr Graf läßt Ihre Argumente gelten, zündet seine lange Meerschaumpfeife an und liest weiter. Sie verharren erneut in Schweigen und beobachten aufmerksam seine Reaktionen, ohne auch nur ein Detail zu übersehen, denn ich will, daß Sie mir bei Ihrer Rückkehr heute abend oder morgen Punkt für Punkt alles bestätigen, was ich mir jetzt vorstelle. Ach ja! Mir ist, als sähe ich ihn vor mir! Diesen Trottel, hingestreckt auf sein Kanapee, nach Luft schnappend wie ein Fisch auf dem Trockenen! Er hält den Brief in der rechten Hand, und ab und zu streicht er mit dem Zeigefinger der linken Hand über die kleine blaue Vene an der Schläfe, die ihm bedrohlich angeschwollen ist. Seine Unruhe wächst. So wie die Dinge liegen, hat ihn ein einfacher Brief zu der plötzlichen Erkenntnis geführt, daß nicht einmal er vor Wahnsinn gefeit ist. Alles um ihn her beginnt zu wanken. Er versucht, sich an einer Reihe unbestrittener Glaubenssätze festzuhalten, allein er findet keinen festen Halt. Seine bürgerlichen Überzeugungen nützen ihm nichts. Er, der über allem zu stehen glaubte! Aufgepaßt, Bautista, aufgepaßt! Der Herr Graf ist kurz davor, in Tränen auszubrechen, wenig fehlt, und er fällt auf die Knie und bittet um Vergebung für Sünden, die er nie begangen hat! Mein Gott! Und wenn ich nun kein Recht hätte, ihn so zu quälen? Werde ich nicht zu grausam sein? Müssen wir denen die Augen öffnen, die stets in glückseliger Kurzsichtigkeit gelebt haben? Wie dem auch sei, Bautista, sollte der Herr Graf in Tränen ausbrechen, dann nähern Sie sich ihm nicht. Versuchen Sie nicht, ihn zu trösten. Er soll sich nach Herzenslust ausweinen, denn im Weinen liegt eine gewisse Wollust. Lassen Sie jedoch nicht in Ihrer Wachsamkeit nach. Bleiben Sie aufmerksam für jedes Problem, das sich unerwartet stellen kann. Die Frösche, zum Beispiel. Vergessen Sie nicht einen Augenblick, daß Sie sie in der Tasche haben. Stellen Sie sich vor, sie beginnen zu quaken, während Don Demetrio weint. Eine Möglichkeit, die wir schon früher in Betracht gezogen haben. Was können Sie dann tun? Bemühen Sie Ihre Phantasie, mein lieber Freund. Tun Sie zum Beispiel, als seien Sie es, der quakt. Geben Sie ihren großen Schatz noch nicht preis. Die
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