Der Marquis schreibt einen unerhörten Brief
vom Boden zu heben und ohne die Auslage aufzugeben. Reden Sie sich ein, daß Ihr Regenschirm wirklich ein Degen ist, und handeln Sie im Wissen, daß bei der Verwendung dieser Waffe sämtliche Drehbewegungen erlaubt sind, unter der Voraussetzung, daß der Gegner nicht überrumpelt wird, so hitzig das Gefecht auch sein mag. Auf! Bautista! Nur Mut! Wieder erbleichen Sie! Ist es möglich, daß Sie sich einer so einfachen Sache nicht für fähig halten? Würden Sie den Regenschirm lieber wie einen Stock benutzen? Nun gut, tun Sie, was Ihnen am besten erscheint. Halten Sie sich also an keinerlei Regel, und verabreichen Sie dieser schamlosen Kreatur so viele Schirmhiebe wie Sie wollen. Schlagen Sie ihm den Schädel ein. Schließlich sind Sie ein Plebejer, es war dumm von mir anzunehmen, Sie könnten sich wie ein Herr verhalten. Begreifen Sie, Bautista? Die Dinge haben sich in den letzten Jahren nicht so sehr verändert. Alles ist noch immer so, wie ich es verlassen habe. Personen niederen Standes sind immer noch Personen niederen Standes, die Demokratie hat daran nichts geändert. Ich werde mein Schloß verlassen und feststellen, daß die Welt sich immer noch um dieselbe Achse dreht, so sehr einige Romantiker und kontemplative Hydrauliker auch meinen mögen, daß die Menschen jetzt in größerer Würde altern können. Denn sagen Sie mir, mein Freund, wer könnte durch eine Volksabstimmung die Farbe der Einsamkeit verändern? Welches Regierungssystem und welches neue Gesellschaftsmodell wäre imstande, dem Tod die Schelle umzuhängen? Es ist doch klar, Bautista: Was nützt es, den Menschen einen Himmel zu geben, wo sie doch ohne Flügel geboren werden? Ihre wahren Probleme werden sie stets mit sich allein, vor dem Spiegel ihres Bewußtseins, lösen müssen. Das Echo der Musikkapellen, das bis zu der kleinen Behausung des Einsamen dringt, wird ihn niemals von dieser großen Verantwortung befreien können. Etwas anderes zu erwarten, wäre sündhafter Hochmut... Doch kehren wir endlich wieder zu uns zurück. Wir waren dabei stehengeblieben, daß Sie unfähig sind, den Regenschirm als Degen zu benutzen. Gut, benutzen Sie ihn also, als wäre er ein Knüppel. Lassen Sie Ihren Instinkten freien Lauf, und halten Sie sich nicht zurück, bis dieser Lump Sie auf Knien um Verzeihung bittet. Lassen Sie sich durch sein Flehen aber nicht erweichen. Packen Sie ihn am Ohr, und befehlen Sie ihm, Sie ohne weiteren Verzug zu den Gemächern des Herrn Grafen zu führen. Und während Sie ihm durch die Gänge des Schlosses folgen, gestatten Sie ihm nicht die geringste Unschlüssigkeit. Denken Sie daran, daß Sie sich letztendlich auf feindlichem Gebiet bewegen. Er kann Sie leicht irreführen. Stellen Sie sich vor, daß dieser Diener, eifersüchtig auf den Umgang seines Herrn, es sich einfallen läßt, Umwege über Umwege zu machen, ohne Sie je an Ihr Ziel zu führen. Ich sage das nicht auf Sie gemünzt, Bautista, aber jeder weiß, daß Starrsinn und Borniertheit der Diener den Fanatismus der Herren gewöhnlich noch um einiges übertreffen. Wenn Sie sich fügsam führen lassen, bringen Sie womöglich den ganzen Nachmittag damit zu, durch Korridore zu laufen, prächtige Treppengänge hinaufzusteigen und Salons von gewaltigen Ausmaßen zu durchqueren. Das Schloß Don Demetrios ist riesengroß, und Sie können nicht wissen, ob Sie zweimal dieselbe Stelle passieren. Gehen Sie also rücksichtslos vor. Lassen Sie Ihrem Führer den Vortritt, und schieben Sie ihn mit der Spitze des Regenschirms vorwärts. Er soll wissen, daß er jeden Augenblick, gerade wenn er es am wenigsten erwartet, einen weiteren Schirmhieb auf den Kopf erhalten kann. Kaum hat er Ihnen das Gemach des Herrn Grafen gezeigt, entlassen Sie ihn mit einer schallenden Ohrfeige, für den Fall, daß er Sie einen unnötigen Umweg hat machen lassen. Tilgen Sie dann jede Spur von Wut aus Ihrem Gesicht, und klopfen Sie mit den Fingerknöcheln an die Tür. »Gestatten Sie?«, fragen Sie. Und wenn Don Demetrio vom Kanapee her eine zustimmende Antwort gibt, öffnen Sie behutsam die Tür, und schließen sie dann sorgfältig hinter sich. Gehen Sie zwei Schritte vorwärts, verbeugen Sie sich, und übergeben Sie ihm den Brief. Gehen Sie die zwei Schritte wieder zurück, die Sie soeben nach vorn getan haben, und warten Sie. Das mit den zwei Schritten ist, wie Sie sich denken können, nur eine Redensart, denn es kann sein, daß das Kanapee weiter entfernt ist von der Tür und Sie daher vierzehn, zwanzig
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