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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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Skeptiker, die von Anfang an den Alleinerben verdächtigten, auf irgendeine Weise in das Verbrechen verwickelt zu sein. Dass Timm aber, allein und ohne fremde Hilfe, die Seinen auf brutale Weise umgebracht haben könnte, hält niemand für möglich.
    Die Ermittler hüten sich, darüber ein Sterbenswörtchen zu verlieren. Dazu haben sie allen Grund. Denn nach wie vor fischen sie im Trüben. Entwickeln sogar allmählich Verständnis für den blinden Eifer, mit dem die erste Kommission die Jagd auf die Mordbande bis ins Absurde gesteigert hat. Zugleich setzen sie sich dem Verdacht aus, aufs Geratewohl einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht zu haben, nachdem die Fahndung nach den Mordbuben misslungen ist.
    Dennoch bleibt Mohrdieck optimistisch. „Wir müssen ihn noch eindringlicher mit seinen Taten konfrontieren“, schlägt er dem Kollegen vor. „Auch wenn Beweise fehlen.“
    Schütt wiegelt ab: „Er wird weiterhin alles abstreiten. Lügen, dass sich die Balken biegen. Und zur Not in Ohnmacht fallen. Wie bei der Sache mit dem Mühlenbrand in Krummendiek.“
    „O nein. Ich denke, dass haben wir ihm ein für allemal ausgetrieben.“
    Damit soll Mohrdieck Recht behalten. Nicht ein einziges Mal wird Timm wieder Bewusstlosigkeit vortäuschen.
    Den 24.   Mai des Jahres 1867 werden die Ermittler noch lange in Erinnerung behalten als Meilenstein in der Chronologie ihrer mühseligen Aufklärung. An diesem Tag reißt die Naht in Timms Lügengewebe. Und von da an ist es nur noch eine Frage der Zeit bis zum lückenlosen Geständnis.
    „Ich schlage vor, wir setzen zunächst die Ohnmachtssache fort. Wenn er sich dabei nur einmal verplappert, haben wir ihn am Wickel.“
    Schütt ist mit der Marschrichtung seines Kollegen einverstanden: „Dann können wir nachweisen, dass er die Räuberbande erfunden und eine falsche Spur gelegt hat.“
    „So, lieber Thode, nun erzählen Sie uns mal, warum Sie gestern den Bewusstlosen gespielt haben.“ Mohrdieck gibt sich jovial. Ganz der wohlmeinende Vernehmer mit Verständnis für menschliche Schwächen.
    „Ich wollte raus. Nach Hause, zum Jens in Sude. Ich konnte es nicht mehr aushalten. Weil ich unschuldig bin.“
    „Unschuldig. Hm.“ Mohrdieck wiegt den Kopf. „Aber Sie wollten uns täuschen. Und haben gesehen, dass man uns nicht in die Irre führen kann.“
    Unvermittelt ergreift Schütt das Wort: „Kommen wir auf den 8.   August zurück. Wie haben Sie es bloß ausgehalten? Dreißig Stunden ohne Nahrung. Sie sind doch ein guter Esser, wie man hört.“
    „Ich hab keinen Hunger gespürt. Nicht mal Durst. Ich hab überhaupt nichts gespürt.“
    „Nana.“ Mohrdiecks Ton wird lehrerhaft. „Als man Ihnen Blutegel aufsetzte, Essigverbände anlegte, Sie wusch und rasierte, Sie auszog und ihren Körper nach Verletzungen untersuchte, winzige Schmutzpartikel unter den Fingernägeln abkratzte – da sind Sie nicht ein einziges Mal wach geworden? Auch nicht für kurze Momente?“
    Timm schüttelt den Kopf. „Ich war von Sinn und Verstand. Ich lüg Ihnen nix vor.“
    Mohrdieck überlegt. Und beschließt, einen simplen Trick anzuwenden: Die zweite Frage vor der ersten stellen. Timms schwerfällige Kombinationsgabe nutzen. Ihn überrumpeln. Er fragt, beiläufig, freundlich: „Wann haben Sie beschlossen, sich vor Schwarzkopfs Tür bewusstlos zu stellen?“
    Timm begeht einen Kardinalfehler. Er sinnt nicht über Mohrdiecks Frage, seine Zielsetzung nach. Er antwortet spontan: „Auf dem Weg von unserm Hoftor zu Schwarzkopf.“
    Kurz blickt Mohrdieck zum Kollegen hinüber. Der pustet durch die gespitzten Lippen wie nach einem gelungenen Kraftakt.
    „Warum haben Sie sich verstellt und Ohnmachtsanfälle vorgetäuscht?“ Gleich zu Beginn der Vernehmung wuchert Mohrdieck mit seinen Pfunden.
    Timm schweigt. Überlegt. Nicht noch einmal will er mit einer spontanen Antwort in die Falle tappen.
    Schütt beugt sich zu ihm hinüber: „Sagen Sie die Wahrheit. Eine Lüge noch und Sie werden auf kalte Kost gesetzt. Sie wissen, was das heißt? Wasser und trocken Brot.“
    „Es war nicht mein Wille, die Commission zu täuschen. Ich konnte es nur nicht mehr aushalten. In der Zelle. Weil ich unschuldig bin.“
    „Unschuldig? An allem? Das glaube ich Ihnen nicht.“ Messerscharf zerschneidet Mohrdiecks Zwischenruf die Stimmung. „Gestehen Sie endlich, dass Sie es allein getan oder Gehilfen gehabt haben.“
    Selbst von Prangen, der, am Schreibpult stehend, jedes Wort notiert, hebt überrascht den

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