Der Maskensammler - Roman
ehrfürchtigen Erstarrung. Die Frau legte jetzt ihre Hand auf seine Brust an die Stelle des Herzens und nickte zufrieden. Und wieder sagte sie «rot». Dann wollte sie sein Geburtsdatum wissen und die Innenflächen seiner Hände sehen. Während sie seineHandballen massierte, murmelte sie «Berna, Baran, Klaran, Klana, Klana Gandrung». Flüsternd übersetzte Antje die Worte der Dukun, flüsternd sprach Bernhard sie nach. «Heute heißt du Klana Gandrung. Das ist der verliebte Klana. Aber merke dir: Höre nicht auf, bevor du müde bist, iss nicht, bevor du Hunger hast.» Sie fixierte ihn: «Ayah, Ayah, immer nur Ayah. Du bist wütend. Vergiss nicht deinen Ursprung und überwinde die Wut auf deinen Vater, weil sie dich blind macht. Übe dich in der Kunst des Rila, lerne loszulassen und dich in Rukun, die große Harmonie der Welt, einzuordnen. Öffne dich für Wisnu oder bete zu dem Gott deiner Vorfahren. Entzünde Räucherstäbchen, um die Geister gnädig zu stimmen.»
Mit wiegendem Kopf wie in Trance hatte die Dukun gesprochen. Jetzt öffnete sie die Augen: «Und noch etwas.» Sie sprach es aus, aber Antje zögerte, stotterte, holte Luft und sagte dann schnell: «Werde zum Mann im Schoß dieser Frau.»
Bernhard hörte am Knistern ihres Rockes, dass die Dukun aufstand. Als er aufblickte, war sie im Hintergrund verschwunden. Eine Tür schloss sich.
***
Die Heimfahrt erlebte Bernhard in entspannter Gedankenlosigkeit. Als sie aus dem Bus stiegen, war es bereits dämmrig. Wie ein Schatten folgte er Antje. Sie gingen an einem Haus vorbei, das Bernhard meinte schon gesehen zu haben. In seinem Garten stand eine Hütte. Antje nahm ihn bei der Hand: «Ich bin Candra. Und merke dir: Du bist Klana.» Wie um mit den neuen Namen ein Bündnis zu besiegeln, küsste sie ihn.
Im Inneren der Hütte roch es nach Wachs und Zimt. Vor einem kleinen Eckaltar entzündete Candra zwei Kerzen und zog dann mit einer schnellen Bewegung ihr Kleid über den Kopf. Sie setztesich auf das Bett in der Mitte des Raumes und zog Klana zu sich heran. Ihre Finger wanderten über seine Brust und schienen ein Vergnügen daran zu haben, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Geschickt lösten sie seinen Gürtel und zogen ihm die Hose über die Hüften. Als er so weiß und zaghaft vor ihr stand, sagte sie: «Mein Gott, bist du dünn.» Es war ein Augenblick regloser Stille, dann sah sie ihm ins Gesicht, griff in seine Unterhose und holte hervor, was sie «kleine Schlange» nannte. Mit gespitzten Lippen küsste sie deren Kopf.
Klana spürte keine Angst, sondern im Gegenteil eine Kraft, die er als Bernhard nicht gekannt hatte. Candra wich vor ihm zurück, sie hatte alles abgestreift, nackt lag sie vor ihm. Er betrachtete ihre Schultern, ihre Brüste, den von den Erhebungen der Beckenknochen eingerahmten Bauch, ihre lang ausgestreckten Beine und das dunkle Dreieck zwischen ihren Oberschenkeln. Er betrachtete sie ruhig und genau, als müsste er sich ihren Anblick für den Rest der Zeit einprägen, sah ihre halb geschlossenen Augen, ihre leicht geöffneten Lippen und – als er sich zu ihr kniete und sie die Beine aufstellte, auch ihre im Kerzenlicht geheimnisvoll glänzende Öffnung.
Was dann kam, geschah wie von selbst. Noch nie war sein Körper so geschmeidig, so zielsicher, so lebendig gewesen. Wellen wohliger Wärme durchströmten ihn, leicht fand er in den Rhythmus ihres Körpers, dann hörte er den Ton eines Nachtvogels an seinem Ohr. Er spürte, wie sie bebte, jetzt schüttelte es auch ihn, ein Aufbäumen, dann fielen sie nebeneinander, Candra und Klana.
4. Kapitel
«Komm mit, wir frühstücken drüben bei meiner Mutter! Du gehörst ja jetzt zur Familie», sagte Candra Kirana. Und als sie sein erstauntes Gesicht sah: «Du hast das Bett mit mir geteilt, also bist du mein Verlobter und hast den Status eines Vetters zweiten Grades.» – Bei Bandung wartete eine Überraschung: In ihrem Wohnzimmer saß ein weiterer Vetter zweiten Grades. Es war Ulrich Holzer.
Wortlos saßen sie am Tisch, wortlos aßen sie warme Reisfladen mit Sirup. Als Erste lachte Candra. Klana sah sie an, als befürchtete er, sie könnte jetzt den Mund öffnen und sagen: «Das zwischen uns war nur die Laune einer Nacht, ein Versehen ohne jede Bedeutung.» Oder: «Er war nicht ganz bei sich. Er hat nicht mit mir, er hat mit meinem Geist geschlafen.» Sie aber griff nach seiner Hand und drückte sie mit einer Festigkeit, die jeden Zweifel ausschloss. Bandung und der Doktor lachten.
Weitere Kostenlose Bücher