Der Maskensammler - Roman
Abreise verbrachten sie im Haus von Bandung. Candra und Klana hatten Bier und Kretek-Zigaretten mitgebracht, der Geruch von Tabak und Blüten der Gewürznelke zog durch den Raum. Es gab in scharfe Sauce eingelegtes Fleisch, dazu Bihun Goreng, ein Gericht aus gebratenen Nudeln. Als Nachtisch servierte Bandung mit Honig überbackene Bananen. Sie trug einen weißen Sarong und saß aufrecht mit versteinertem Lächeln neben Ulrich. Schweigend nahm sie Abschied von ihm, heute Nacht würde sie neben ihm liegen, aber sie würde ihn nicht berühren. Sie würde um ihn trauern, wie sie um Candras Vater getrauert hatte. Ihr Rücken schmerzte. Gebeugt stand sie auf und entzündete Räucherstäbchen, um die Moskitos zu vertreiben und die bösen Geister, die draußen auf der Veranda vor dem Nieselregen Zuflucht gesucht hatten. Drei Monate würde sie sich nur in Weiß kleiden, dann wäre die Erinnerung an Ulrich aus ihrem Gedächtnis getilgt und sie würde als alte Frau ihr Leben beschließen.
Candra und Klana begleiteten Ulrich nach Tandjung Priok. Sie wurden erwartet. Am Kai standen Commissaris Langmut und Frank. – «Dr. Olza, Sie verlassen unser Land. Wie schade! Wir brauchen gute Ärzte auf Java. Ein Freund meines verstorbenen Vaters ist in der städtischen Krankenhausverwaltung tätig. Er hätte Ihnen eine gute Stellung vermitteln können. Aber Sie sind ein pflichtbewusster Mann und wollen Ihren Vertrag erfüllen. Ich habe einen Vermerk bei meinen Akten. Nein, ich will Sie nicht kontrollieren, Ihre Ausreisepapiere sind in Ordnung. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise. Kommen Sie bald wieder! Allah beschütze Sie!» – Er salutierte und wandte sich dann an Antje: «Sie bleiben noch auf unserer schönen Insel? Ich werde Ihre Aufenthaltsgenehmigung auf unbestimmte Zeit verlängern. ‹Zu Besuch bei ihrer Mutter.› Sie müssen bei Bandung sein. Sie ist eine liebenswürdige Frau und braucht Trost und Beistand. Bitte grüßen Sie sie von mir. Hält das Dach ihres Hauses den Winterstürmen stand? Ich könnte ihr einenDachdecker empfehlen, er ist Witwer, ein netter Mann, auch preisgünstig.» – Frank übersetzte, der Commissaris richtete jetzt das Wort an Bernhard: «Mijnheer Berna, ich höre, Sie haben einen javanischen Namen angenommen. Klana Gandrung, sind Sie verliebt? Ich beglückwünsche Sie! Ihr Visum läuft noch einige Zeit. Also genießen Sie, was Gott für Sie vorgesehen hat. Der Freund meines Onkels hat Sie sehr gelobt. Sie sind ein ruhiger Gast im ‹Surabaja› und zahlen Ihre Zimmerrechnung pünktlich. Aber wir leben in unruhigen Zeiten, das heißt man spricht im Moment nicht gut über Deutschland. Sie sind ein freier Mann, das heißt Sie können tun, was Sie wollen. Ich, das heißt meine Behörde, ist jedoch für Ihre Sicherheit zuständig. Man möchte Ihnen einen Aufenthalt auf dem Land empfehlen. Vielleicht könnte Juffrouw Candra Sie begleiten. Der Halbbruder meiner zweiten Frau hat ein schönes Haus in der Nähe von Yogyakarta. Er wäre bereit, es Ihnen günstig zu vermieten.» Wieder salutierte er, seine Stiefel glänzten, er grinste: «Bei Ihnen zu Hause grüßt man jetzt mit ‹Eil Itlar!›. Ich wünsche Ihnen viel Glück!»
***
Klana hatte die Warnung des Commissaris nicht überhört, aber dass er als Deutscher angefeindet werden könnte, fand er ebenso abwegig wie den Verdacht, er könnte ein deutscher Spion sein. Die Javaner waren freundliche Menschen und begegneten ihm mit großer Höflichkeit. Für ihn gab es keinen Grund zur Beunruhigung. Einer Fahrt nach Yogyakarta, der alten Sultansstadt, die als Zentrum javanischer Kultur galt, stimmte er sofort zu. Er wollte den Kraton, den Palast des Sultans, sehen, die Pyramide des Borobudur besteigen und die Tempel von Candi Mendut und Candi Sari zeichnen.
In sein Tagebuch schrieb er: «Die javanische Ethik beruht auf zwei Grundprinzipien, die bei uns in Europa nie bestanden habenoder gänzlich verloren gegangen sind: zum einen Respekt und Achtung für die Mitmenschen. Beispiele für diese Haltung erlebt man jeden Tag. Zum anderen entsprechen Konfliktvermeidung und Harmoniebedürfnis der javanischen Mentalität. Nachgiebigkeit wird hierzulande nicht als Schwäche, Herrschsucht nicht als Stärke verstanden. Das vermittelt mir als Fremdem ein Gefühl der Geborgenheit und kommt meinem Wesen sehr entgegen.»
Und: «Frank hat Candra und mich mit dem Zug nach Patalan begleitet, einer kleinen Ortschaft keine zehn Kilometer von Yogyakarta entfernt, und uns mit dem
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