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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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zu hören, ein leises Rauschen, wie vom Geist einer Verstorbenen. Er schlug durch das Gitter gegen die Fensterscheiben, aber nichts rührte sich. Wind war aufgekommen, gleich würde es anfangen zu regnen. Er hatte einen Zweitschlüssel, irgendwo in einer der unzähligen Schubladen, er musste ihn suchen. Ihn fröstelte.
    Aus dem Briefkasten zog er einen Packen Post. Zwischen Rechnungen, Werbedrucksachen und der Aufforderung, seinen Wasser- und Elektrozähler abzulesen, wartete eine unangenehme Überraschung auf ihn: ein Brief seiner Schwester Nora. Seit Jahren hatten sie keinen Kontakt, er erkannte nicht die Handschrift auf dem Kuvert, er starrte auf den Namen des Absenders wie auf den einerfremden Person. Nora kündigte in ein paar Zeilen ihren Besuch für nächste Woche an.
    ***
    Im Haus gab es keine Vorräte. Im Speicher, wo in früheren Jahren Steinpilz- und Birnenscheiben zum Trocknen aufgereiht hingen, fand Bernhard leere Schnüre. Auf den Obststellagen im Keller lagen schwarz und faulig bis auf die Größe von Tischtennisbällen geschrumpelte Äpfel. Auf der Suche nach Karotten oder wenigstens ein paar Kartoffeln stocherte er in der Erde und dem Stroh einer Miete herum; die Mäuse hatten nichts Essbares übrig gelassen.
    Bernhard war nicht auf den Gedanken gekommen, etwas einzukaufen. Es war ihm zuwider, in einem Lebensmittelladen alle möglichen Entscheidungen treffen zu müssen: welche Sorte, welche Anzahl, wie viel Gramm? Jetzt war es Samstag Nachmittag, und die Geschäfte waren geschlossen. Am Hintereingang einer Bäckerei oder Metzgerei zu schellen und um ein Stück Brot oder eine Wurst zu bitten, kam nicht infrage. Seine groteske Situation zu schildern, war ihm nicht möglich. In seinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus.
    Fasten, eine Hungerkur. Darin war er nicht geübt. Er hatte sich an die regelmäßigen Mahlzeiten im Sanatorium gewöhnt. Man brauchte nur Platz zu nehmen, musste nicht auf einer Speisekarte zwischen Fleisch, Fisch oder Schonkost wählen, das Essen kam ganz von selbst, angenehm warm und in verträglichen Mengen. Danach sehnte er sich zurück, während er einen Entschluss fasste: Wenn er nicht aus Unterernährung einen Zusammenbruch riskieren wollte, musste er in ein Gasthaus gehen. Er raffte sich auf, mied im Rausgehen einen Seitenblick in den Garderobenspiegel und fuhr nach Birkenfeld.
    ***
    Sie hieß «Zur Post» und war die Bahnhofsgaststätte. Vorne im Flur roch es süßlich nach Leber und Bierdunst, weiter hinten nach den Toiletten und den dort abgestellten Mülltonnen. Bernhard ging an einer Tür vorbei, an der ein Schild «Geschlossene Gesellschaft» hing. Von einer Kellnerin, die graue Maßkrüge wie Boxhandschuhe vor sich hertrug, wurde er in den hinteren Teil der Wirtsstube abgedrängt. Er wollte fragen, was sie empfehlen könne, aber für solche Auskünfte hatte sie keine Zeit. Er deutete auf eine Tafel, sie nickte «o.k.» und schob ihm ein schlecht gezapftes Bier hin.
    Es stellte sich heraus, dass er einen Schweinebraten mit Röstkartoffeln und Rotkohl bestellt hatte. Schweine waren amüsante Tiere, ihr Gehirn war angeblich dem des Menschen ähnlich, für Bernhard gab es keine religiösen Verpflichtungen, aber er aß nicht von ihrem Fleisch. Er achtete nicht auf das Geschrei und Gepolter im Nebenraum, in dem die Veranstaltung der geschlossenen Gesellschaft jetzt ihren Höhepunkt erreichte, schob den Braten auf seinem Teller beiseite und wollte gerade die Kartoffeln in die braune Sauce tunken, als die Tür zum Nebenraum aufsprang und eine Gestalt in den Raum torkelte. Der Mann hatte eine Platzwunde auf der Stirn, Blut tropfte auf seinen Brustpanzer aus Orden und Medaillen. «Der Schützenkönig!», rief einer. «Der Schürzenjägerkönig!», ein anderer. «Jetzt hat’s ihn erwischt.»
    Die Kartoffeln und der Kohl auf Bernhards Teller wurden kalt. Gewalt war ihm verhasst, er konnte kein Blut sehen. Den Mann hatte die Kellnerin hinausgeführt, aus dem Nebenraum war nur noch gedämpftes Murmeln zu hören, aber Bernhard war der Appetit vergangen, ihm war übel. Wenn die Kellnerin zurückkam, wollte er gleich zahlen. Da spürte er, dass sich jemand seinem Tisch näherte. Er hörte eine Frauenstimme, die «Bernhard» sagte, «Vater».
    Ursula wollte ihren Augen nicht trauen. Der Mann, der da hinten im Raum in seine Rechnung vertieft saß, musste ihr Vater sein.Sie kannte seine Abneigung, fremden Menschen beim Essen zusehen zu müssen. Sie war ihm noch nie in der Stadt und

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