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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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rasiert und offensichtlich besser aufgelegt als gestern. Er erzählte von Pferden, deren Gatter der Sturm weggerissen hatte, und die, gerade als er mit seinem Fünftonner gekommen war, in Panik über die Autobahn galoppiert waren. «Beinahe hätte ich eines erwischt», da lachten auch seine Augen. Jean-François holte ihr eine Apfelschorle, die Männer tranken Bier, unterhielten sich über Autos und verstanden sich gut. Maria saß dabei, sie konnte nicht mitreden, zu Autos fiel ihr nichts ein. Sie war mit einem Gedanken beschäftigt, den sie nicht in Worte fassen konnte. Der Vater hatte ihr gefehlt, mehr, als sie sich je klargemacht hatte. Das also war er. Der fremde Mann, der ihr noch nicht eine Frage gestellt hatte, war ihr Vater.
    Dann plötzlich war Aufbruch. «Da hab ich aber eine hübsche Tochter», sagte Jean-François, als sie sich verabschiedeten. Jetzt umarmte sie ihn, sie spürte seinen massigen Körper und hielt ihn, als er sie schon loslassen wollte, noch eine Sekunde länger fest. «Das breite Kreuz habe ich von ihm», dachte sie. «Versprich, dass du uns mal besuchen kommst.» – «Demnächst hab ich eine Fahrt in eure Gegend. Dann schau ich vorbei.»
    Auf der Heimfahrt, auf dem Beifahrersitz, war sie sich mit einem Mal ganz sicher: «Ich liebe diesen Mann!», und meinte Axel.Am nächsten Morgen hatte Frau Meier eine Nachricht für Maria: «Ihre Schwester, beziehungsweise Halbschwester hat angerufen. Sie bat mich, Ihnen mitzuteilen … Ihnen Folgendes zu sagen: Ihre Mutter ist schwer erkrankt. Sie liegt im Kreiskrankenhaus auf der Intensivstation. Wenn Sie sie besuchen wollen, bevor … Ich würde mich dafür einsetzen, dass Sie zwei Tage Urlaub bekommen.»

15. Kapitel
    Gleich nach Betreten des Hauses kam der Anfall. Eine nervöse Unruhe, unerklärlich, war er doch nach einem Zwangsurlaub unter ärztlicher Aufsicht nach Hause zurückgekehrt, geheilt von einer tödlichen Attacke. Schon vor dem Garderobenspiegel hatte Bernhard das Gesicht verzogen, als könnte er seinen Anblick hier in der altgewohnten Umgebung nicht ertragen. Eine jähe Grimasse zerteilte sein Gesicht, die Lippen stülpten sich vor, sein Mund quoll auf, seine Augen verdrehten sich, die Arme schnellten hoch wie in einem unfassbaren Schrecken. Mit äußerster Kraft riss er sich los von dem Zerrbild. Er musste seine Hände zu Hilfe nehmen, um das Zucken zu stoppen und seine Züge glatt zu streichen.
    In seiner Abwesenheit hatte es Streit gegeben. Das sah Bernhard sofort, als er sich beruhigt und wieder einen klaren Blick hatte. Machtspielereien, wie er vermutete, angezettelt von den Javanischen. Die Chinesischen waren in der Minderzahl, aber sie waren vorbereitet, hatten sich mit den Japanischen verbündet und sich nach Kräften gewehrt. Die wenigen Afrikanischen hatten wahrscheinlich ihre Götter angerufen, sie hatten von ihren Randpositionen profitiert. Bernhard musterte sie streng wie unartige Kinder. Sechs Wochen war er im Sanatorium gewesen. Er hatte ihnen den Grund genannt, warum er sich einer Kur unterziehen musste. In knappen Worten hatte er sie gebeten, die bösen Geister zu bannen und die guten, mit denen sie in Verbindung standen, anzurufen, zu seinem und zum Schutz des Hauses. Dann war er abgereist, er hatte seine Masken sich selbst überlassen.
    Er holte einen Staubbesen, fuchtelte in gespielter Empörung vor ihren Nasen herum und inspizierte eine nach der anderen: ein paar feine Risse, ein Stückchen abgeplatzter Lack, nichts Ernstes. Er hängte sie gerade, dabei nahm er einige Veränderungen vor: Er trennte die, die er für die Rädelsführer hielt. «Zustände wie im Kindergarten», dachte er.
    Den Kontrollgang ums Haus und zum Nebengebäude schob Bernhard zwei Tage auf. Dann gab es keine Entschuldigung mehr, er musste seinen Hausherrenpflichten nachkommen. Er bahnte sich seinen Weg durch hüfthohe Brennnesseln, scheuchte eine verwilderte Katze auf und stand am Rande der Gemüsebeete vor einem Meer von Unkraut, aus dem in hellem Gelb wie kleine Pagoden die Spitzen von geschossenen Salaten ragten. Er fand den Rundgang beschwerlich, aber der Zustand seines Gartens beunruhigte ihn nicht. Er meinte, eine Rangordnung der Pflanzen zu erkennen; dass sich die Vitalsten durchsetzten, dass die Starken die Schwachen erstickten, erschien ihm als ein Gesetz der Natur.
    Die Tür des Nebenhauses fand er verschlossen. Bernhard klopfte, erst zaghaft, dann kräftig und rief «Hallo!» und Katrins Namen. Im Inneren meinte er ein Geräusch

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