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Der maskierte Tod

Der maskierte Tod

Titel: Der maskierte Tod
Autoren: Pat N. Elrod
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gewesen waren.
    Nun, wir würden schon irgendwie zurechtkommen, so Gott wollte.
    Ich tauschte diese Sorgen gegen andere ein, als ich die Salontür öffnete. Im Inneren tauchte ein – für mich jedenfalls – wahrhaft explosionsartiger Kerzenschein die Möbel und diejenigen, die sie besetzten, in ein goldenes Licht.
    Am Kartentisch versammelt waren Vater, Mutter, Dr. Beldon und seine Schwes- ter, Mrs. Hardinbrook. Beldon und Vater blickten auf und nickten mir zu, woraufhin sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Spiel richteten. Mrs. Hardinbrook saß mit dem Rücken zur Tür, so dass sie mich nicht bemerkte. Mutter saß ihr gegenüber und konnte mich sehen, aber entweder hatte sie nicht bemerkt, dass ich hereingekommen war, oder sie ignorierte mich.
    Das Spiel wurde ohne Pause fortgesetzt, wobei der Sinn aller auf ihre Karten und nichts sonst gerichtet war, als ich zögernd in der Tür stehen blieb. Einen unbehaglichen Moment lang fühlte ich mich wie ein unsichtbarer Geist, dessen Anwesenheit dem Wind oder dem natürlichen Knarren eines alten Hauses zugeschrieben wird. Nun, ich konnte mich unsichtbar machen, wenn ich dies wollte. Das würde die Dinge ein wenig aufrühren ... aber es wäre keine sehr nette Sache, so sehr ich auch versucht war, es zu tun.
    Mutter regte sich ein wenig: Sie zog die Augenbrauen hoch, als sie die Karten in ihrer Hand eingehend betrachtete. Ihr Blick glitt über den Tisch, über die anderen, über alles, ausgenommen ihren eigenen Sohn.
    Sie ignorierte mich. Ganz entschieden ignorierte sie mich. Dies ist mit Bestimmtheit zu sagen.
    Heimat, dachte ich grimmig und trat in den Salon.

KAPITEL 2

Als ich das Zimmer betrat, konnte ich sehen, dass meine junge Kusine Anne Fonteyn ebenfalls anwesend war. Sie saß auf einem Stuhl, der an einen kleinen Tisch gerückt worden war, und hatte sich in die Lektüre eines Buchs vertieft. Wieder Shakespeare, so wie es aussah. Sie hatte seit der Zeit, in der ich sie dazu verführt hatte, etwas von ihm zu lesen, kurz nach ihrer Ankunft in unserem Haus, eine große Vorliebe für seine Werke entwickelt. Sie war die Tochter von Großvater Fonteyns jüngstem Sohn und suchte hier bei uns, weit entfernt von Philadelphia, Schutz vor den Konflikten in dieser Stadt. Obwohl ihre Bildung ein wenig dürftig war, so war sie doch sehr schön und verfügte über eine liebliche und unschuldige Seele. Ich mochte sie sehr gern.
    Ich wanderte zu ihr, um ihr einen guten Abend zu wünschen – leise, aus Rücksichtnahme auf die anderen. »Was ist es heute Abend? Ein Theaterstück oder die Sonette?«
    »Ein weiteres Stück.« Sie hob das Buch ein wenig in die Höhe. »Perikles, Fürst von Tyrus, aber es ist etwas anders, als ich erwartet hatte.«
    »Inwiefern?« Ich nahm am Tisch gegenüber von ihr Platz.
    »Ich dachte, er würde eine Gorgone namens Medusa töten, aber nichts Derartiges hat sich bisher in diesem Drama ereignet.«
    »Das ist die Legende von Perseus, nicht von Perikles«, erklärte ich sanft.
    »Oh.«
    »Man kann sie leicht verwechseln.«
    »Du musst mich für sehr dumm und langweilig halten.«
    »Nein, keineswegs.«
    »Aber ich mache die Dinge immer falsch«, stellte sie kummervoll fest.
    Dies war das Werk meiner Mutter. Ihre scharfe Zunge hatte bereits die unvermeidliche Wirkung auf meine gutherzige Kusine entfaltet. Anne war im Laufe der Monate das Opfer manch ungerechter und unverdienter Kritik geworden. Mutter hatte die idiotische Idee, dass Anne durch dieses Mittel dazu gebracht werden könne, »sich zu verbessern«, obgleich über die Art dieser Verbesserungen nur spekuliert werden konnte. Elizabeth und ich hatten vor langer Zeit gelernt, die höhnischen Bemerkungen, welche an uns gerichtet waren, zu ignorieren; Anne besaß keine solche Verteidigungsstrategie und wurde stattdessen schüchtern und unsicher. Dies rief noch mehr Kritik hervor.
    »Überhaupt nicht. Ich finde dich charmant und gescheit. In meiner gesamten Zeit in England traf ich niemals ein Mädchen, das im Mindesten daran interessiert war, zu lesen, geschweige denn Shakespeare.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.« Dies entsprach der Wahrheit. Schließlich war Nora Jones eine Frau und kein Mädchen gewesen. Und das Interesse einiger der anderen jungen Damen, welche ich kennen gelernt hatte, lag in Bereichen, die von den meisten Leuten nicht ohne weiteres als sehr intellektuell angesehen wurden. Solche Be- schäftigungen waren gewiss angenehm; ich sollte eigentlich der Letzte sein, der etwas dagegen
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