Der Matarese-Bund
störte, hatte seine Ursache in jener zweckbezogenen Philosophie. War die Exekution praktisch? War die Lektion, die er gleich erteilen würde, die beste Lektion, die zweckmäßigste Entscheidung? War sie die Risiken und die Folgen wert, die sich mit dem Tode eines alten Mannes einstellen würden, der seine Erwachsenenjahre mit der Konstruktion von Weltraumraketen verbracht hatte? Oberflächlich betrachtet schien die Antwort auf diese Frage »ja« zu lauten. Vor sechs Jahren war der sowjetische Ingenieur während einer internationalen Weltraumausstellung in Paris zum Feind übergelaufen. Er hatte Asyl gesucht, und man hatte es ihm gewährt. Die Weltraumbruderschaft in Houston hatte ihn mit Freuden aufgenommen, ihm eine Stelle, ein Haus und Schutz verschafft. Die Russen hatten es tatsächlich fertiggebracht, sich über seine ideologische Abweichung lustig zu machen, indem sie andeuteten, daß die weniger anspruchsvollen kapitalistischen Institute seine Talente vielleicht mehr schätzen würden als die russischen. Er wurde schnell zu einem vergessenen Mann.
Bis vor acht Monaten. Damals stellte man fest, daß die sowjetischen Peilstationen mit beunruhigender Häufigkeit amerikanische Satelliten orteten und damit den Wert fotografischer Überprüfungen durch höchst geschickte Bodentarnungen verringerten. Es war, als wüßten die Russen die größte Zahl der Umlaufbahnen im vorhinein.
Und das taten sie auch. Eine Spur wurde aufgenommen, die zu dem vergessenen Mann in Houston führte. Was dann kam, war relativ leicht. Eine technische Konferenz, die sich ausschließlich mit dem engen Erfahrungsbereich eines vergessenen Mannes befaßte, wurde in Amsterdam einberufen; er flog mit einer Regierungsmaschine hinüber, und den Rest übertrug man einem Spezialisten für solche Angelegenheiten. Brandon Scofield, Attache ohne Portefeuille, Consular Operations.
Scofield hatte schon lange die Codes von KGB Amsterdam entschlüsselt und auch ihre Kontaktmethoden in Erfahrung gebracht. Jetzt setzte er sie ein und staunte etwas über die Reaktion seines Zielobjektes; das war es auch, was ihn jetzt so beunruhigte. Der alte Mann zeigte keinerlei Erleichterung darüber, daß man ihn rief. Nach sechs Jahren eines Drahtseilaktes hatte das Zielobjekt jedes Recht darauf, einen ehrenvollen Abschluß zu erwarten, den Dank seiner Regierung, und eine Pension, die es ihm erlaubte, die letzten Jahre seines Lebens in angenehmer Umgebung zu verbringen. Erwarten, zum Teufel damit. Bray hatte bei ihrer chiffrierten Unterhaltung dies sogar angedeutet.
Aber der alte Russe war dennoch nicht glücklich. Und es gab keine besonders ausgeprägten persönlichen Beziehungen in Houston. Scofield hatte die Akte »Vier-Null« über das Zielobjekt verlangt, eine Akte, die so vollständig war, daß sie sogar Einzelheiten über seine Verdauung und seine Stuhlgewohnheiten enthielt. Es gab nichts in Houston; der Mann war ein Maulwurf – offenbar im Doppelsinne des Wortes. Und das störte Bray ebenfalls. Ein Maulwurf pflegte sich in der Spionagearbeit nicht gerade die gesellschaftlichen Eigenheiten dieser Tierart zuzulegen.
Irgend etwas stimmte nicht. Und doch gab es Beweise, ganz eindeutige Beweise sogar, daß der Mann ein Doppelagent war. Die Lektion mußte erteilt werden.
Aus dem Empfänger in seiner Hand ertönte ein kurzes scharfes Pfeifen. Drei Sekunden später wurde es wiederholt.
Scofield bestätigte den Empfang, indem er einen Knopf drückte. Er schob das Gerät in die Tasche und wartete.
Weniger als eine Minute verstrich, bis er die Gestalt des alten Mannes durch den dichten Regen heranstapfen sah. Eine Straßenlaterne hinter ihm zeichnete eine gespenstisch wirkende Silhouette. Der Schritt des Opfers wirkte zögernd, als wäre er auf dem Weg zu einem Rendezvous, das er in gleichem Maße ersehnte wie verabscheute. Es gab einfach keinen Sinn.
Bray blickte nach rechts. Wie er erwartet hatte, war niemand auf der Straße, war in diesem verlassenen Teil der Stadt um diese Stunde niemand zu sehen. Er wandte sich nach links und ging die Rampe hinauf, auf die Brückenmitte zu, auf deren anderen Seite der alte Russe war. Er hielt sich im Schatten; das war nicht schwierig, da die drei ersten Lichter über dem linken Geländer wegen eines Kurzschlusses nicht brannten.
Der Regen trommelte auf das alte Kopfsteinpflaster hernieder. Auf der anderen Seite der Brücke stand der alte Mann und sah nach unten ins Wasser. Er hatte die Hände am Geländer. Scofield näherte
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