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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Sonne ihre gelben Strahlen über die arktischen Nebel schicken, und die Nebel würden verschwinden. Als Kind hatte jene Sonne ihn gewärmt.
    Er war zu Hause. Es lag viele Jahre zurück, aber da war kein Gefühl der Rückkehr, keine Freude über die Aussicht, eine vertraute Umgebung zu sehen, vielleicht ein vertrautes Gesicht… älter geworden natürlich, so wie er älter geworden war.
    Es gab überhaupt keine Freude, nur ein Ziel. Zu viel war geschehen; er fror, und auf dieser Reise würde ihn die Wintersonne nicht wärmen. Es gab nur eine Familie namens Voroschin. Er ging auf den Wagen zu, hielt sich so weit rechts wie möglich, im toten Winkel, die Graz-Burya in der behandschuhten rechten Hand. Er trat hinter dem Schneewall hervor, hielt sich geduckt, bis er neben dem Vorderfenster stand. Er hob den Kopf und sah den Mann drinnen an.
    Die Glut einer Zigarette beleuchtete das vertraute Gesicht teilweise. Taleniekov sah es nicht zum erstenmal; er hatte es vielleicht schon in einer Akte gesehen, vielleicht auch während eines kurzen Gesprächs in Riga, das zu unwesentlich war, als daß er sich daran erinnert hätte. Sogar an den Namen des Mannes erinnerte er sich; der Name war es, der ihn wieder an die Fakten erinnerte.
    Maletkin. Piotr Maletkin. Aus Grodro, nördlich der polnischen Grenze. Er war Anfang der Fünfzig – das bestätigte auch das Gesicht – und wurde für einen verläßlichen, wenn auch phantasielosen Fachmann gehalten, jemand, der seine Arbeit still verrichtete, vorschriftsmäßig. Er war mit den Jahren im KGB aufgestiegen, aber die fehlende Initiative hatte dazu geführt, daß er schließlich einen Posten in Vyborg bekam.
    Die Amerikaner hatten in ihm eine kluge Wahl getroffen. Er war ein Mann, der durch seine eigene Unwichtigkeit zur Bedeutungslosigkeit verurteilt war, hatte aber doch Einblick in Informationen und Pläne, einfach wegen seines Ranges. Ein stellvertretender Leiter der Station Vyborg wußte, daß er das Ende einer ziemlich ruhmlosen Laufbahn erreicht hatte. Man konnte seine Enttäuschung daher nutzen; das Versprechen auf ein Leben in mehr Wohlstand übte ohne Zweifel einen starken Reiz aus. Und man konnte ihn immer erschießen, wenn et das Eis auf einer letzten Reise nach Vainikkala überquerte. Niemand würde ihn vermissen, ein geringfügiger Erfolg für die Amerikaner, eine geringfügige Peinlichkeit für den KGB. Aber alles das hatte sich jetzt geändert. Piotr Maletkin war im Begriff, ein sehr wichtiger Mann zu werden. Er selbst würde es in dem Augenblick wissen, in dem Wassili auf das Fenster zuging, denn während Taleniekov das Gesicht des Verräters einigermaßen vertraut war, würde Maletkin das des »Überläufers« völlig bekannt sein. Jede KGB-Station auf der ganzen Welt machte Jagd auf Wassili Wassiliewitsch Taleniekov.
    Von der Schneewand geschützt, schlich er sich zwanzig Meter hinter den Wagen, und ging dann auf der Straße wieder nach vorne. Maletkin war entweder tief in Gedanken versunken oder halb eingeschlafen; er ließ durch nichts erkennen, daß er jemanden sah, wandte nicht den Kopf, drückte auch seine Zigarette nicht aus. Erst als Wassili nur noch drei Meter von dem Fenster entfernt war, zuckten die Schultern des Verräters herum; sein Gesicht wandte sich dem Glas zu. Taleniekov drehte den Kopf halb zur Seite, als überprüfte er die Straße hinter sich; er wollte nicht, daß der andere sein Gesicht sah, solange er die Scheibe nicht heruntergekurbelt hatte. Jetzt stand er direkt an der Türe, den Kopf über dem Dach des Wagens.
    Er hörte, wie die Kurbel gedreht wurde, fühlte den Wärmeschwall aus dem Inneren des Wagens. Wie erwartet, erfaßte ihn der Lichtkegel einer Taschenlampe; er beugte sich vor und zeigte sein Gesicht und schob gleichzeitig die Graz-Burya durch das offene Fenster.
    »Guten Morgen, Genosse Maletkin. Sie sind doch Maletkin, nicht wahr?«
    »Mein Gott! Sie!«
    Mit der linken Hand griff Taleniekov durch das Fenster und hielt die Taschenlampe, drehte sie langsam weg, so als wäre es nicht wichtig. »Regen Sie sich nicht auf«, sagte er. »Wir haben jetzt etwas gemeinsam, nicht wahr? Warum geben Sie mir die Schlüssel nicht?«
    »Was… was?« Maletkin war gelähmt; er brachte kein Wort hervor.
    »Geben Sie mir die Schlüssel, bitte«, fuhr Wassili fort. »Ich gebe sie Ihnen zurück, sobald ich im Wagen bin. Sie sind nervös, Genosse, und nervöse Leute tun nervöse Dinge. Ich möchte nicht, daß Sie ohne mich wegfahren. Die Schlüssel,

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