Der Matarese-Bund
entgegenkommenden Lkw kollidiert.
»Reißen Sie sich zusammen!« schrie Wassili. »Ein Unfall, und wir verschwinden beide in den schwarzen Zimmern der Lubjanka!«
»Aber Vyborg!« wiederholte der erstaunte Verräter. »KGB-Vyborg? Wissen Sie, was Sie damit sagen?«
»Natürlich«, erwiderte Taleniekov. »Zwei Informanten am selben Ort, von denen keiner um die Existenz des anderen weiß. Das ist die sicherste Methode, um Informationen zu bestätigen. Aber wenn einer von dem anderen erfährt… nun, etwas Besseres kann Ihnen nicht widerfahren, finden Sie nicht auch? In Ihrem Falle wären die Vorteile unbeschreiblich.«
»Wer ist es denn?«
»Später, mein Freund, später. Sie werden mir helfen, mit mir in allen Punkten kooperieren. Wenn ich dann gehe, sage ich Ihnen seinen Namen.«
»Einverstanden«, sagte Maletkin, dessen Fassung langsam zurückkehrte.
Taleniekov lehnte sich in den Sitz zurück, während sie durch die vom dichten Verkehr überfüllte Sadovaja in die noch überfüllteren Straßen des alten Wohnviertels, des Dom Vashen, rollten. Die Fassade der sauberen Straßen und der sandgestrahlten Gebäude verbarg die Spannungen, die in dieser Gegend herrschten. Zwei und drei Familien, die in einer einzigen Wohnung wohnten, vier und fünf Leute, die in einem Raum schliefen; eines Tages würde das zur Explosion führen.
Wassili blickte zu dem Verräter neben ihm; er verabscheute den Mann. Maletkin glaubte, ihm würde ein Vorteil, von dem er vor Minuten noch nicht zu träumen gewagt hätte, gewährt werden: Der Name eines hochrangigen KGB-Abwehroffiziers seiner eigenen Station, ein Verräter wie er, der sich gnadenlos manipulieren lassen würde. Er würde fast alles tun, um diesen Namen zu erfahren. Er würde ihn bekommen – in drei Worten, eine weitere Identifizierung war unnötig. Und er würde natürlich falsch sein. Piotr Maletkin würde nicht von den Amerikanern beim Überqueren des Eises nach Vainikkala erschossen werden, sondern in einem Kasernenhof in Vyborg, dachte Wassili, als er das Gebäude, das er suchte, ganz unten an der Straße erkannte.
»Halten Sie an der nächsten Kreuzung, Genosse«, sagte er. »Warten Sie auf mich. Wenn die Person, die ich sehen will, nicht da ist, bin ich gleich wieder zurück. Wenn er zu Hause ist, dauert es etwa eine Stunde.« Maletkin hielt hinter einer Anzahl Fahrräder, die an einem Pfosten am Randstein angekettet waren. »Denken Sie daran«, fuhr Taleniekov fort. »Sie haben jetzt zwei Alternativen. Sie können zum KGB-Hauptquartier fahren – es liegt übrigens am Ligovsky Prospekt – und mich melden; das führt zu einer Anzahl Enthüllungen, die in Ihrer Hinrichtung resultieren werden. Oder Sie können auf mich warten und tun, worum ich Sie bitte. Sie kaufen sich damit die Identität von jemandem, der Ihnen großen Nutzen bringen kann und haben einen sehr wichtigen Mann am Haken.«
»Dann habe ich also wirklich keine Wahl, wie?« sagte Maletkin. »Ich werde hier sein.« Der Verräter grinste; auf seinem Kinn standen Schweißtropfen, seine Zähne waren gelb.
Taleniekov ging auf die Steintreppen des Gebäudes zu; es war ein vierstöckiger Bau mit zwanzig bis dreißig Wohnungen, von denen viele überfüllt waren. Aber nicht die von Lodzia Kronescha. Sie hatte ihre eigene Wohnung; die Entscheidung hatte das KGB vor fünf Jahren getroffen.
Mit Ausnahme einer kurzen Wochenendkonferenz vor vierzehn Monaten in Moskau hatte er sie seit Riga nicht gesehen. Während der Konferenz hatten sie eine Nacht miteinander verbracht – die erste Nacht –, aber aus beruflichen Gründen beschlossen, sich anschließend nicht wieder zu treffen. Der »brillante Taleniekov« hatte Anzeichen von Überarbeitung gezeigt; sein seltsam ungezügeltes Verhalten hatte zu viele Leute verärgert – und zu viele Leute hatten darüber geredet, darüber geflüstert. Über ihn. Es war am besten, wenn sie alle Beziehungen außerhalb der Konferenzsääle abbrachen. Denn wenn sie auch völlig rehabilitiert war, wurde sie dennoch dauernd beobachtet. Er war nicht der Mann, mit dem sie sich sehen lassen durfte; das hatte er ihr gesagt, hatte darauf bestanden.
Vor fünf Jahren hatte Lodzia Kronescha Schwierigkeiten gehabt; einige sagten, Schwierigkeiten, die ernsthaft genug waren, um sie von ihrem Posten in Leningrad zu entfernen. Andere widersprachen und behaupteten, ihre gelegentlichen Fehlentscheidungen wären auf kurzzeitige Depressionen zurückzuführen, hinter denen Familienprobleme standen.
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