Der Matarese-Bund
bitte.«
Der drohende Lauf der Graz-Burya war nur wenige Zentimeter von Maletkins Gesicht entfernt; seine Augen huschten unruhig zwischen der Waffe und Taleniekov hin und her. Jetzt bewegte sich seine Hand zum Zündschloß und zog die Schlüssel heraus. »Hier«, wisperte er.
»Danke, Genosse. Und Genossen sind wir, das wissen Sie doch, oder? Es hätte keinen Sinn, wenn einer von uns versuchte, aus der Lage des anderen Nutzen zu ziehen. Wir würden beide die Verlierer sein.«
Taleniekov ging um die Motorhaube des Wagens herum, trat durch den aufgehäuften Schnee und kletterte neben dem immer noch erstarrten KGB-Mann auf den Beifahrersitz.
»Kommen Sie schon, Oberst Maletkin – Sie sind doch Oberst, nicht wahr? –, für diese feindselige Haltung ist kein Anlaß. Ich möchte hören, was es Neues gibt.«
»Ich bin diensttuender Oberst; der Rang ist noch nicht bestätigt.«
»Eine Schande. Wir haben Sie nie richtig geschätzt, wie? Nun, wir hatten ganz sicher unrecht. Sehen Sie doch, was Sie hier vor unserer Nase geleistet haben. Sie müssen mir sagen, wie Sie das geschafft haben. In Leningrad.«
»Leningrad?«
»Es sind nur ein paar Stunden Fahrt von Selenogradsk. Es ist nicht allzu weit, und ich bin ziemlich sicher, daß der stellvertretende Leiter von Vyborg eine plausible Erklärung für die Fahrt liefern kann. Ich werde Ihnen helfen. Ich verstehe mich auf solche Dinge.«
Maletkin schluckte; seine Augen musterten Wassili immer noch verstört. »Ich muß morgen früh in Vyborg zurück sein. Ich muß die Patrouillen einweisen.«
»Übertragen Sie das jemand anders, Oberst! Jeder freut sich, wenn ihm eine Aufgabe zugeteilt wird. Das zeigt, daß man ihn schätzt.«
»Das ist mir übertragen worden«, sagte Maletkin.
»Sehen Sie, was ich meine? Übrigens, wo haben Sie denn Ihre Bankkonten? Norwegen? Schweden? New York? Sicher nicht in Finnland; das wäre unsinnig.«
»In der Stadt Atlanta. Eine Bank, die den Arabern gehört.«
»Gut überlegt.« Taleniekov reichte ihm die Schlüssel. »Fahren wir jetzt, Genosse?«
»Das ist verrückt«, sagte Maletkin. »Wir sind tote Leute.«
»Im Augenblick noch nicht. Wir haben in Leningrad zu tun.«
Es war Mittag, als sie über die Kirov-Brücke fuhren, vorbei an den Sommergärten, deren Bäume mit Rupfensäcken geschützt waren, nach Süden zum riesigen Boulevard des Nevsky Prospekts. Taleniekov wurde still, als er zum Fenster auf die Baudenkmäler Leningrads hinausblickte. Das Blut von Millionen war geopfert worden, um den gefrorenen Schlamm und das Marschland der Newa in Zar Peters Fenster nach Europa zu verwandeln.
Sie erreichten das Ende des Prospekts unter dem schimmernden Turm des Admiralitätsgebäudes und bogen nach rechts auf den Kai. Dort, an den Ufern des Flusses, stand der Winterpalast; er hatte die gleiche Wirkung auf Wassili, die er immer gehabt hatte. Er ließ ihn an das Rußland denken, das einmal gewesen war, und hier sein Ende gefunden hatte.
Jetzt war keine Zeit für solche Überlegungen; dies war nicht das Leningrad, in dem er sich in den nächsten paar Tagen bewegen würde – obwohl es ironischerweise dieses Leningrad war, jenes Rußland, das ihn hierhergeführt hatte. Fürst Andrei Voroschin war ein Teil beider gewesen.
»Fahren Sie über die Anitschov-Brücke und biegen Sie nach links«, sagte er. »In das Viertel mit den alten Mietshäusern. Ich sage Ihnen, wo Sie anhalten müssen.«
»Was gibt es dort?« fragt Maletkin, dessen Unruhe mit jedem Häuserblock, an dem sie vorbeirollten, mit jeder Brücke, die sie überquerten, zunahm.
»Es überrascht mich, daß Sie das nicht wissen; Sie sollten das eigentlich wissen. Eine Reihe illegaler Pensionen und ebenso illegaler billiger Hotels, die bezüglich offizieller Papiere eine sehr revisionistische Haltung einnehmen.«
»In Leningrad?«
»Sie wissen es nicht, wie?« fragte Taleniekov. »Niemand hat es Ihnen je gesagt. Man hat Sie übersehen, Genosse. Als ich in Riga stationiert war, sind wir Regionalleiter häufig hierhergekommen und haben das Viertel für Konferenzen benutzt, die geheim bleiben sollten, Konferenzen, die unsere eigenen Leute hier betrafen. Hier habe ich, glaube ich, zum erstenmal Ihren Namen gehört.«
»Meinen Namen? Ich bin erwähnt worden?«
»Keine Sorge, ich habe die auf eine falsche Spur gelenkt, Sie geschützt. Sie und den anderen Mann in Vyborg.«
»Vyborg?« Maletkin ließ das Steuer los; der Wagen brach nach links aus und wäre beinahe mit einem
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