Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
schon tot.
    »Ja, was ist?« sagte die atemlose Stimme des Verräters aus Vyborg.
    »Verlassen Sie das Hotel sofort«, befahl Taleniekov. »Fahren Sie zum Moskva-Bahnhof. Wir treffen uns vor dem ersten Eingang am Randstein.«
    »Jetzt? Es ist kaum zwei Uhr! Sie haben gesagt…«
    »Vergessen Sie, was ich gesagt habe, tun Sie, was ich jetzt sage. Haben Sie das mit den Finnen erledigt?«
    »Ein einfacher Anruf.«
    »Haben Sie angerufen?«
    »Das ist in einer Minute erledigt.«
    »Dann tun Sie es. Seien Sie in fünfzehn Minuten am Moskva.«
    Die Fahrt nach Norden verlief schweigend. Nur Maletkins Klagen über die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden durchbrachen gelegentlich die Stille. Er war ein Mann, der mit Dingen befaßt war, die sein Begriffsvermögen so weit überstiegen, daß selbst sein Verrätertum etwas Ranziges, Seichtes an sich hatte.
    Sie fuhren durch Vyborg, an Selzneva vorbei, auf die Grenze zu. Wassili erkannte die schneegesäumte Straße, auf der er gegangen war; bald würden sie die Straßengabelung erreichen, wo er zum erstenmal den Verräter neben sich gesehen hatte. Damals war Dämmerung gewesen; bald würde es wieder dämmern. Und so viel war geschehen in dieser kurzen Zeit, so viel hatte er erfahren.
    Er war erschöpft. Er hatte keinen Schlaf gehabt und brauchte ihn dringend. Er wußte genau, daß es keinen Sinn hatte, jetzt etwas zu unternehmen, solange sein Geist sich gegen das Denken auflehnte; er würde nach Helsinki gehen und dort so lange schlafen, wie sein Körper und sein Verstand dies zuließen, und dann das Weitere veranlassen. Nach Essen.
    Aber etwas war noch zu tun, ehe er sein geliebtes Rußland verließ, etwas für sein Rußland.
    »In einer Minute sind wir an dem Treffpunkt am See«, sagte Maletkin. »Ein Finne wird dort auf Sie warten. Alles ist vorbereitet. So, Genosse, ich habe das Meine getan, jetzt tun Sie das Ihre. Wer ist der andere Informant in Vyborg?«
    »Sie brauchen seinen Namen nicht, bloß seinen Rang. Er ist der einzige Mann in Ihrem Sektor, der Ihnen Befehle erteilen kann, Ihr einziger Vorgesetzter. Der Kommandant von Vyborg.«
    »Was? Er ist ein Tyrann, ein Fanatiker!«
    »Gibt es eine bessere Tarnung? Suchen Sie ihn auf… privat. Sie werden wissen, was Sie zu sagen haben.«
    »Ja«, nickte Maletkin und seine Augen loderten. Dann bremste er den Wagen ab, als sie an eine Lücke in der Schneemauer am Straßenrand kamen. »Ja, ich glaube, ich werde wissen, was ich sagen muß. Hier ist der Weg.«
    »Und hier ist Ihre Waffe«, sagte Taleniekov und reichte dem Verräter seine Waffe, aus der er den Schlagbolzen entfernt hatte.
    »Oh? Ja, danke«, erwiderte Maletkin, der gar nicht hingehört hatte, und dessen Gedanken sich in Phantasien von Macht ergingen, die noch vor Sekunden für ihn unvorstellbar gewesen war.
    Wassili stieg aus dem Wagen. »Wiedersehen«, sagte er und schloß die Türe.
    Als er um das Heck des Wagens herumging, hörte er, wie Maletkin sein Fenster herunterkurbelte.
    »Es ist unglaublich«, sagte der Verräter mit Dankbarkeit in der Stimme. »Vielen Dank.«
    »Gerne geschehen.«
    Das Fenster wurde wieder hochgekurbelt. Das Röhren des Motors übertönte das Pfeifen der Reifen, die im Schnee durchdrehten. Der Wagen schoß davon; Maletkin vergeudete keine Sekunde, nach Vyborg zurückzukehren.
    Zu seiner Hinrichtung.
    Taleniekov betrat den Weg, der ihn nach Helsinki, nach Essen führen würde. Er begann, leise vor sich hin zu pfeifen; die Melodie klang wie »Yankee Doodle Dandy«.
26
    Der freundlich wirkende Mann in dem zerdrückten Anzug und dem Rollkragenpullover klemmte sich den Violinenkasten zwischen die Beine und dankte der Finnair-Stewardeß für den Becher Tee, den sie ihm gebracht hatte. Wenn jemand an Bord das Alter des Musikers hätte schätzen müssen, dann hätte er wahrscheinlich gesagt, irgendwo zwischen fünfundfünfzig und sechzig, vielleicht ein wenig älter. Die weiter entfernt Sitzenden würden bei über sechzig anfangen und ebenfalls hinzufügen, daß er vermutlich etwas älter wäre.
    Und doch hatte er, mit Ausnahme einiger weißer Strähnen, die er in sein Haar gefärbt hatte, keinerlei Kosmetika benutzt. Taleniekov hatte schon vor Jahren gelernt, daß die Gesichts und Körpermuskeln viel besser als Puder und Cremes den Eindruck von Alter und Gebrechlichkeit zu vermitteln vermochten. Der Trick lag darin, die Muskeln in die gewünschte Lage ungewöhnlicher Anspannung zu bringen, und dann so normal wie möglich seinen

Weitere Kostenlose Bücher