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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Verrichtungen nachzugehen; die Unbequemlichkeit mußte man dadurch überwinden, daß man gegen diese Anspannung ankämpfte, so wie ältere Leute gegen die Mühen des Alters ankämpfen und Krüppel so gut wie möglich mit ihren Gebrechen fertig wurden.
    Essen. Er war zweimal in diesem schwarzen Juwel der Ruhr gewesen. Keine der beiden Reisen war aktenkundig, weil es sich um delikate Missionen handelte, es ging dabei um Industriespionage – Aktivitäten, bei denen Moskau keinen Wert darauf legte, daß sie irgendwo auffielen. Aus diesem Grunde besaßen die Matarese keine Informationen, die ihnen in Essen helfen würden. Keine Kontakte, die sie überwachen konnten, keine Freunde, die sie aufsuchen und ihm Fallen stellen konnten, nichts. Kein Janov Mikovsky, keine… Lodzia Kronescha.
    Essen. Wo konnte er beginnen? Der Gelehrte hatte recht gehabt: Er suchte ein fünfzig Jahre altes Gespenst, die Schatten eines Mannes und seiner Familie, die in einer Periode weltweiten Chaos in einem riesigen Industriekomplex untergetaucht waren. Offizielle Dokumente, die weiter als ein halbes Jahrhundert in die Vergangenheit reichten, würden ihm nicht zugänglich sein – wenn es sie überhaupt je gegeben hatte. Und selbst dann würden sie so wirr sein, daß er Wochen dazu brauchen würde, um dem Geld und den Identitäten nachzuspüren. Dabei würde er mit Sicherheit auffallen.
    Außerdem mußten die Gerichtsakten in Essen zu den umfangreichsten und kompliziertesten gehören, die es überhaupt gab. Wo war der Mann, der seinen Weg durch ein solches Labyrinth finden konnte? Und wo die Zeit, es zu tun?
    Es gab einen Mann, einen Patentanwalt, der ohne Zweifel bei der Vorstellung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde, den Namen eines einzelnen Russen ausfindig zu machen, der vor fünfzig Jahren Essen betreten hatte. Aber immerhin war er Anwalt; bei ihm konnte man also beginnen – wenn er noch lebte und bereit war, mit jemandem zu sprechen, dessen Gesellschaft ihm vor vielen Jahren schon peinlich gewesen war. Wassili hatte seit Jahren nicht mehr an den Mann gedacht. Heinrich Kassel war ein fünfunddreißigjähriger Juniorpartner in einer Anwaltskanzlei gewesen, die für viele der prominenten Firmen Essens tätig war. Die Akten des KGB hatten ihn als einen Mann ausgewiesen, der häufig im Gegensatz zu seinen Vorgesetzten stand, einen Mann, der sich für extrem liberale Anliegen einsetzte – wovon einige seinen Seniorpartnern so widerwärtig waren, daß sie gedroht hatten, ihn zu entlassen. Aber er war zu gut; keiner wollte seine Entlassung verantworten.
    Die Asse in Moskau hatten in ihrer Weisheit entschieden, daß Kassel hervorragende Eignung für Patentspionage zeigte. In ihrer noch größeren Weisheit hatten diese Meister ihren größten Überredungskünstler, einen gewissen Wassili Taleniekov, ausgeschickt, um die Dienste des Anwalts für die Sache einer besseren Welt zu gewinnen.
    Wassili hatte während eines unter fadenscheinigen Gründen arrangierten Abendessens weniger als eine Stunde gebraucht, um zu erkennen, wie absurd sein Auftrag war. Voll und ganz war ihm das klargeworden, als Heinrich Kassel sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und ausgerufen hatte:
    »Sind Sie verrückt? Ich tue, was in meiner Macht steht, um euch Pack von hier fernzuhalten!«
    Es war nichts herausgekommen. Der Überredungskünstler und der fehlgeleitete Anwalt hatten sich betrunken, den Abend schließlich in der Morgendämmerung beendet und zugesehen, wie die Sonne über den Gartenanlagen des Gruga-Parks aufging. Sie hatten einen weinseligen Pakt geschlossen: der Anwalt würde davon absehen, diesen Versuch Moskaus der Regierung in Bonn zu melden, wenn Taleniekov ihm garantierte, daß seine KGB-Akte in einigen wesentlichen Punkten geändert wurde. Der Anwalt hatte sein Schweigen bewahrt; Wassili war nach Moskau zurückgekehrt und hatte die Akte des Deutschen um die Eintragung ergänzt, daß der »radikale« Anwalt vermutlich ein Provokateur im Sold der Amerikaner sei. Kassel würde ihm vielleicht helfen können, zumindest ihm sagen, wo er anfangen konnte.
    Wenn es ihm gelang, Heinrich Kassel zu erreichen. So viele Dinge konnten geschehen sein, die ihn daran hinderten. Krankheit, Tod, ein Ortswechsel, Zufälle in seinem Leben oder seinem Beruf; seit seinem gescheiterten Auftrag in Essen waren immerhin zwölf Jahre verstrichen.
    Und noch etwas mußte er in Essen erledigen, sinnierte er. Er hatte keine Waffe; er würde eine kaufen müssen. Die

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