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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Vorkämpfer des kleinen Mannes geworden?«
    »Die haben einen großen Mann aus mir gemacht.« Der Anwalt lachte glucksend. »Wenn Sie und Ihre Leute den Bundestag kontrollierten, wäre das nie passiert. Ich bin ein prinzipienloser Kapitalist, der seine Schuldgefühle unterdrückt, daß er gelegentlich größere Beträge für wohltätige Zwecke stiftet. Mein Geld erreicht wesentlich mehr, als ich je mit meinen Stimmbändern erreicht habe.«
    »Eine sehr vernünftige Einstellung.«
    »Ich bin ein vernünftiger Mann. Was mir jetzt etwas unvernünftig vorkommt, ist, daß Sie mich aufsuchen. Nicht daß ich Ihre Gesellschaft nicht genießen würde, denn das tue ich wirklich. Aber warum gerade jetzt? Sie sagten, Sie hätten Ihren ehemaligen Beruf aufgegeben; was könnte ich also haben, was Sie interessiert?«
    »Ihren Rat.«
    »Sie haben juristische Probleme in Essen? Jetzt sagen Sie bloß nicht, daß ein überzeugter Kommunist private Investitionen an der Ruhr hätte.«
    »Nein. Ich versuche, einen Mann ausfindig zu machen, eine Familie aus Leningrad, die vor sechzig bis siebzig Jahren nach Deutschland kam – nach Essen, da bin ich ganz sicher. Außerdem bin ich überzeugt, daß sie illegal eingereist sind und sich unter irgendeinem Decknamen in die Ruhrindustrie eingekauft haben.«
    Kassel runzelte die Stirn. »Mein lieber Freund, Sie sind verrückt. Ich versuche zurückzurechnen – darauf habe ich mich nie sonderlich gut verstanden –, aber wenn ich mich nicht irre, beziehen Sie sich auf den Zeitraum zwischen 1910 und 1920. Stimmt das?«
    »Ja. Das waren turbulente Zeiten.«.
    »Was Sie nicht sagen. Damals war ja nur der Weltkrieg, die blutigste Revolution der ganzen Geschichte im Osten, die Atlantikhäfen im Chaos und das Meer ein einziger Friedhof. Im Westen stand, wenn ich so sagen darf, ganz Europa in Flammen, und Essen selbst erlebte eine industrielle Expansion, wie sie weder vorher noch nachher je stattgefunden hat, die Hitlerjahre eingeschlossen. Alles verlief natürlich im geheimen. Jeden Tag wurden Vermögen geschaffen. In diese Zeit des Wahnsinns tritt ein Weißrusse und verkauft seinen Schmuck – wie Hunderte das getan haben –, um sich in einer Firma von Dutzenden einzukaufen. Und Sie erwarten, ihn zu finden?«
    »Ich habe schon damit gerechnet, daß Sie so reagieren würden.«
    »Wie hätte ich denn sonst reagieren sollen?« Wieder, lachte Kassel. »Wie heißt denn dieser Mann?«
    »Ich würde zu Ihrem eigenen Schutz vorziehen, Ihnen das nicht zu sagen.«
    »Wie kann ich Ihnen dann helfen?«
    »Indem Sie mir sagen, wo Sie an meiner Stelle mit dem Suchen beginnen würden.«
    »In Rußland.«
    »Das habe ich getan. Die Revolutionsarchive. In Leningrad.«
    »Sie haben nichts gefunden?«
    »Im Gegenteil. Ich fand eine detaillierte Schilderung eines Massenfamilienselbstmordes, der so offenkundig nicht der Wirklichkeit entsprach, daß es sich um eine Fälschung handeln mußte.«
    »Wie war dieser Selbstmord beschrieben? Nicht die Einzelheiten, nur im allgemeinen.«
    »Das Gut der Familie wurde vom Mob gestürmt; sie kämpften den ganzen Tag, benutzten aber am Ende die übriggebliebene Munition und sprengten sich mit dem Hauptgebäude in die Luft.«
    »Eine Familie hält einen ganzen Tag lang einen Bolschewikenmob auf? Höchst unwahrscheinlich.«
    »Genau. Doch die Schilderung war so detailliert wie ein Übungsstück von Clausewitz, inklusive des Klimas und der herrschenden Beleuchtung. Jeder Zentimeter des riesigen Gutes wurde geschildert, aber abgesehen vom Namen der Familie selbst, enthielt der Bericht keinen einzigen weiteren Namen. Also keine Zeugen, die den Vorfall bestätigen könnten.«
    Wieder runzelte der Anwalt die Stirn. »Warum sagten Sie gerade, daß ›jeder Zentimeter des riesigen Gutes beschrieben wurde‹?«
    »Weil es so war.«
    »Aber warum?«
    »Um den falschen Bericht glaubwürdig erscheinen zu lassen, nehme ich an. Eine Vielfalt von Einzelheiten.«
    »Eine zu große Vielfalt vielleicht. Sagen Sie mir, war das, was diese Familie an jenem Tag getan hat, mit dem üblichen Geifer von wegen ›Feinde des Volkes‹ und so weiter, beschrieben?«
    Taleniekov überlegte. »Nein, das war es eigentlich nicht. Man könnte es fast als mutige Tat auffassen.« Dann erinnerte er sich: »Sie ließen ihre Dienstboten frei, ehe sie sich selbst das Leben nahmen… Sie ließen sie frei. Das war alles andere als normal.«
    »Einen solch generösen Akt in den Bericht eines Revolutionärs aufzunehmen, paßt

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