Der Matarese-Bund
in einer guten Stunde wieder in Sicherheit sein; vorher würde er nicht abreisen; deshalb brauchte er, Bray, sich keine Sorgen zu machen. Immerhin, wenn man davon ausging, daß das, was er beobachtet oder was ihn beunruhigt hatte, Substanz hatte, dann war der KGB-Mann mit äußerster Vorsicht vorgegangen – stets vorsichtig –, das hätte gleichsam ihr Motto sein können. Das Telefon war gefährlich. Er durfte nichts sagen, was ihnen schaden konnte.
Sequenz, Folge… Bedeutung. Aber war es das? Die Schlange hatte seine Frau getötet. Fand Bray Beruhigung, wo es in Wirklichkeit gar keine gab? Der Russe hatte ursprünglich vorgeschlagen, das Mädchen aus den Hügeln von Porto Vecchio zu eliminieren; die Liebe, die im ungeeignetsten Augenblick seines Lebens in sein Leben getreten war. Könnte er…?
»Nein!« Die Dinge waren jetzt völlig anders! Es gab keinen Beowulf Agate, den man bis zum Zerreißen anspannen mußte, weil ein Zerreißen den Tod der Schlange garantierte und damit das Ende der Jagd nach den Matarese. Die besten der Profis töteten nicht ohne Not.
Trotzdem, fragte er sich, während er den Telefonhörer im Südeingang von Harrods' niederlegte, was war denn Not anderes als ein Mann, der davon überzeugt war, etwas tun zu müssen? Er schob die Frage von sich; er mußte Zuflucht finden, Asyl.
Londons würdevolles Connaught-Hotel besaß nicht nur eine der besten Küchen Londons, sondern war auch die ideale Wahl für ein schnelles Versteck, solange man nicht die Lobby betrat und die Fähigkeiten der Küche über den Zimmerservice nutzte.
Es war nämlich ganz einfach unmöglich, ein Zimmer im Connaught zu bekommen, wenn man nicht Wochen vorher reservierte. Das elegante Hotel am Carlos Place war eine der letzten Bastionen des Empire und beherbergte im großen Maße jene, die sein Hinscheiden bedauerten und über den Reichtum verfügten, dies mit Anstand zu tun. Davon gab es genug, um es stets besetzt zu halten; im Connaught war nur selten ein Zimmer frei.
Scofield wußte das und hatte schon vor Jahren erkannt, daß Situationen auftreten könnten, in denen ihm die ganz besondere Exklusivität des Connaught vielleicht nützlich sein würde. Er hatte sich an einen Aufsichtsrat der Finanzgruppe, der das Hotel gehörte, herangemacht, ihm eine Gefälligkeit erwiesen und dann seine Bitte vorgebracht. Ebenso wie alle Theater »Hausplätze« haben und die meisten Restaurants stets »reservierte« Tische für jene wichtigen Gäste bereithalten, denen man gefällig sein will, so führen auch Hotels für ähnliche Zwecke leere Zimmer. Bray konnte sehr überzeugend reden; er arbeitete auf der Seite der Engel, der Tories nämlich. Ein Zimmer würde jederzeit zu seiner Verfügung stehen, wenn er es brauchte.
»Zimmer sechs-sechsundzwanzig«, waren die ersten Worte des Mannes, als Scofield sein zweites Gespräch führte. »Fahren Sie einfach mit dem Lift nach oben. Wie gewöhnlich. Sie können sich in Ihrem Zimmer einschreiben – wie gewöhnlich.«
Bray dankte ihm und wandte seine Gedanken einem anderen Problem zu, einem lästigen. Er konnte nicht in die Pension zurückkehren, die nur einige Straßen entfernt war, aber dort befanden sich all seine Kleider, mit Ausnahme derer, die er auf dem Leibe trug. In einem Seesack auf dem ungemachten Bett. Sonst war nichts von Bedeutung dort; sein Geld und ein paar Dutzend nützliche Briefbögen mit entsprechendem Aufdruck, Papiere, Pässe und Scheckbücher lagen alle in seinem Aktenkoffer. Aber abgesehen von der zerdrückten Hose, der billigen Mackinaw-Jacke und dem irischen Hut hatte er nichts anzuziehen. Kleidung war aber nicht nur ein Schutz vor Kälte, sie gehörte auch zu seiner Arbeit und mußte zur Arbeit passen; Kleider waren Werkzeuge und meist wirksamer als Waffen und das gesprochene Wort. Er entfernte sich von den Telefonen und ging zurück in die Verkaufsräume von Harrods. Die Auswahl würde eine Stunde in Anspruch nehmen; das ging. Das würde ihn von Paris ablenken. Und von der großen Liebe, die zum falschen Zeitpunkt in sein Leben getreten war.
Es war kurz nach Mitternacht, als Scofield sein Zimmer im Connaught verließ. Er trug einen dunklen Regenmantel und einen schwarzen Hut mit schmaler Krempe. Er fuhr mit dem Personalaufzug in den Keller des Hotels und trat durch den Personaleingang auf die Straße hinaus. Er fand ein Taxi und sagte dem Fahrer, er solle ihn zur Waterloo-Brücke bringen. Er machte es sich auf seinem Sitz bequem, rauchte eine Zigarette und
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