Der Matarese-Bund
wie Sie die Pensionierung aufnehmen würden. Er hatte die üblichen Sorgen: ein sehr gut informierter Agent, der gegen seinen Willen gekündigt wird und zuviel Zeit hat, vielleicht auch zuviel zu trinken. Er ist ein kalter Bursche, dieser Congdon, und ich fürchte, er hat mich geärgert. Nach alldem, was Sie durchgemacht haben, so wenig Vertrauen… Ich habe ziemlich zynisch das erwähnt, was Sie gerade beschrieben haben – nicht, daß ich je gedacht hätte, daß er so etwas in Betracht ziehen würde; einfach, um ihm darzutun, wie empört ich von seiner Haltung war. Ich kann es also nicht glauben. Verstehen Sie denn nicht? Er würde wissen, daß ich es durchschauen würde. Das Risiko würde er nicht eingehen.«
»Dann hat ihm jemand den Befehl dazu erteilt, Sir. Darüber müssen wir sprechen. Jene drei Männer wußten, wo sie mich finden konnten, und es gibt nur eine Möglichkeit, wie sie es erfahren haben konnten. Das Hotel war ein KGB-Briefkasten, und sie waren Personal von Cons Op. Moskau muß den Ort an Congdon verraten haben; er hat ihn dann weitergegeben.«
»Congdon hätte mit den Sowjets Fühlung aufgenommen? Das ist nicht plausibel. Selbst wenn er es versuchte, warum sollten sie ihn unterstützen? Warum einen für sie wichtigen Ort preisgeben?«
»Ihr eigener Mann war Teil der Verhandlung; sie wollten, daß er getötet wurde. Er versuchte, mit mir Kontakt aufzunehmen. Wir hatten Telegramme gewechselt.«
»Taleniekov?«
Jetzt war Scofield daran, eine Pause zu machen. Dann antwortete er leise: »Ja, Sir.«
»Ein weißer Kontakt?«
»Ja. Ich habe ihn mißverstanden, aber das war es. Jetzt bin ich überzeugt.«
»Sie… und Taleniekov? Außergewöhnlich…«
»Die Umstände sind außergewöhnlich. Erinnern Sie sich an eine Organisation aus den vierziger Jahren, die sich die Matarese nannte?«
Sie vereinbarten, sich um neun Uhr am Abend desselben Tages eine Meile nördlich der Ausfahrt Missouri Avenue an der Ostseite des Rock Creek Park zu treffen. Es gab dort, etwas abseits der Straße, ein gepflastertes Stück, wo Autos parken und Spaziergänger sich Zutritt zu den verschiedenen Wegen verschaffen konnten, die zu einer sehenswerten Schlucht führten. Winthrop hatte vor, die verschiedenen Termine des Tages abzusagen, und sich ganz darauf zu konzentrieren, soviel wie möglich über Brays erstaunliche – wenn auch fragmentarische – Information in Erfahrung zu bringen.
»Wenn nötig, ruft er das Vierziger-Komitee zusammen«, sagte Scofield auf dem Weg zurück zur Hütte zu Taleniekov.
»Kann er das?« fragte der Russe.
»Der Präsident kann es«, antwortete Bray.
Die beiden Männer sprachen während des ganzen Tages nur wenig miteinander. Die gegenseitige Nähe war für beide eine Belastung. Taleniekov las Bücher von den reichlich bestückten Regalen und warf Scofield hie und da einen Blick zu, Blicke, in denen sich unvergessene Wut und Neugierde mischten.
Bray spürte die Blicke, weigerte sich aber, auf sie einzugehen. Er hörte Radio, um mehr über das Massaker in dem Hotel an der Nebraska Avenue und den Tod eines russischen Botschaftsangehörigen in dem Nebengebäude zu erfahren. Die ganze Angelegenheit wurde heruntergespielt, der tote Botschaftsangehörige überhaupt nicht erwähnt. Man stellte Theorien auf, daß die Hotelmorde ausländischen Ursprungs waren – soviel räumte man ein – und ohne Zweifel von Verbrecherkreisen ausgingen, wahrscheinlich irgendwie mit der Drogenszene zusammenhingen. Die nötigen Schritte waren unternommen worden, das State Department hatte schnell gehandelt und seine Zensurmaßnahmen durchgesetzt.
Je farbloser die Berichte wurden, desto mehr kam Scofield sich in die Enge gedrückt vor. Er wurde Teil von etwas, mit dem er nichts zu tun haben wollte; sein neues Leben wartete nicht mehr länger hinter der nächsten Straßenecke auf ihn. Er begann sich zu fragen, wo es wohl wartete, oder ob es überhaupt warten würde. Er wurde, ohne etwas dagegen unternehmen zu können, in ein Rätsel hineingezogen, das Matarese hieß.
Um vier Uhr ging er hinaus, um auf den Feldern und entlang der Ufer des Patuxent spazierenzugehen. Als er die Hütte verließ, achtete er darauf, daß der Russe auch sah, wie er die Browning Automatik ins Halfter schob. Der KGB-Mann sah es; er hatte seine Graz-Burya auf den Tisch gelegt.
Um fünf Uhr stellte Taleniekov fest: »Ich glaube, wir sollten unsere Position eine gute Stunde vor der Verabredung einnehmen.«
»Ich habe Vertrauen zu
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