Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
den Sirius (Hundsstern), der alljährlich um den 20. Juli unseres modernen Kalenders am Nachthimmel über Ägypten das Nilhochwasser ankündigte. Der Sirius durchmisst seine Umlaufbahn fast exakt im gleichen Zeitraum, den die Erde um die Sonne braucht: 365,242 Tage. Weil das ägyptische Kalenderjahr wie das unsrige aber 365 Tage hat, verschiebt sich das Erscheinen des Sirius, und er braucht 1460 seiner Jahre, um wieder zum selben Zeitpunkt im ägyptischen Kalender die Nilflut anzukündigen. Das ägyptische Kalenderjahr wird auch als »Wandeljahr« bezeichnet, weil durch den Rückstand um einen knappen Vierteltag zum Sonnenjahr der Jahresbeginn über einen Zeitraum von 1461 Sonnenjahren alle Tage des Kalenders durchlief.
Die Ägypter bevorzugten das Sonnenjahr gegenüber dem Mondjahr auch deshalb, weil die drei Jahreszeiten des Nils tonangebend waren: Flut, Aussaat und Pflege, Erntezeit. Zwar teilte man in Anlehnung an die Mondzyklen das Jahr in zwölf nummerierte Monate à 30 Tage (zu drei Dekaden à zehn Tage) ein, setzte sich aber über das Mondjahr dadurch hinweg, dass man es alljährlich wieder mit dem fünf Tage längeren in Einklang brachte, indem man ganz einfach die fehlenden Tage anhängte und zum Totengedenken nutzte – jene Regelung, die Jahrtausende später der Kalender der Ersten Französischen Republik aufgriff.
Die Lebensader Nil machte die Entscheidung der alten Ägypterleicht, denn der Fluss bestimmte. Nicht zuletzt dank der fruchtbaren Niltäler konnte das alte Ägypten zu einer blühenden Hochkultur werden, mit einem komplexen Staatswesen, das wiederum für eine leistungsfähige Verwaltung einen genauen und im ganzen Land befolgten Kalender benötigte. Für einen logistischen Kraftakt wie den Bau einer Pyramide, für den zu einer bestimmten Zeit über eine Riesenmenge an Arbeitern aus dem ganzen Land verfügt werden musste, bedurfte es eindeutiger kalendarischer Angaben.
Für die Geschichte der westlichen Welt ist es also der ägyptische Kalender, auf den alles zurückgeht: Im ersten vorchristlichen Jahrhundert vertraute Caesar auf dessen Genauigkeit, um seine Kalenderreform durchzuführen – und deren langfristigen Schwächen wiederum machte anderthalb Jahrtausende später die gregorianische Reform einigermaßen den Garaus. Gewissermaßen bestimmt also noch heute der Rhythmus des Nils als Rhythmus des Sonnenjahres unser Kalenderjahr – und unser Kalendersystem ist bei allen Reformen und Überarbeitungen stolze fünf Jahrtausende alt.
Übrigens versuchte ein halbes Jahrtausend vor Caesar der Perserkönig Dareios, als Instrument seiner straffen Zentralisierungspolitik den besten aller in seinen Breiten bekannten, ägyptischen Kalender in seinem Großreich einzuführen, vergeblich allerdings. Ebenfalls vergeblich war der zwei Jahrhunderte vor Caesar erste Versuch, in Ägypten das Schaltjahr einzuführen, der nicht befolgt wurde – wohl weil es die hellenistischen Besatzer waren, die die Reform durchführen wollten. In beiden Fällen scheiterten Kalenderreformen aus politischen Gründen – abermals begegnet uns als Leitmotiv der Kalendergeschichte die politische Dimension von Zeitrechnung.
Neben Ägypten stand Babylonien, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris im heutigen Irak, für unseren heutigen Kalender Pate – wie sehr, ist allerdings umstritten. Mehr noch als inÄgypten gab es in Babylonien schon sehr früh fähige Astronomen, weil man den himmlischen Bewegungen große Bedeutung für das irdische Geschehen beimaß. Daher war es unerlässlich herauszufinden, welche Tage wofür geeignet waren und wofür nicht. Als besonders unheilvoll wurden Sonnen- und Mondfinsternisse angesehen, aber auch die Zeit des Neumonds am Monatsende. Dagegen galten Neulicht und Vollmond als vielversprechend, um wichtige Vorhaben zu schultern. Problematische Tage ließen sich aber auch rituell entschärfen, etwa wenn ein Vorhaben nicht zu verschieben war.
Die Sumerer und ihre Nachfolger, die Babylonier, taten sich schwer mit der Lücke zwischen Mond- und Sonnenjahr. Weil aber der Mond die wichtigste sumerische Gottheit war, wurde zunächst auf Grundlage des Mondmonats ein Kalender entwickelt, dessen Jahr 12 mal 30, also insgesamt 360 Tage umfasste. Die zwölf Monate entsprachen der Einteilung der sichtbaren Sternbilder, wie wir sie bis heute kennen: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion. Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische. Die offenkundige Lücke zwischen Mond- und
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