Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
heute.
Auch der traditionelle chinesische Kalender ist ein lunarer, also Mondkalender, der jedoch durch einen gelegentlichen Schaltmonat in Einklang mit dem Sonnenjahr gebracht wird – anfangs pragmatisch nach Bedarf, später nach einem genauen System. Dafür studierte man die Länge des Sonnenjahres sehr genau – und war darin dem Abendland um Jahrhunderte voraus. Bestimmend für den chinesischen Kalenderrhythmus ist die Zahl 60: Außer dem Monat von abwechselnd 29 und 30 Tagen gibt es einen 60-Tage-Rhythmus, der unabhängig und ohne Unterbrechung neben dem Mondkalender herläuft. Die Chinesen besitzen außerdem keine lineare Epochenzählung wie die christliche oder islamische Zeitrechnung, sondern teilen den Fortgang der Zeit in Zyklen von 60 Jahren ein, deren gegenwärtiger nach christlicher Chronologie 1984 begann. Der Legende nach war es der »Gelbe Kaiser«, der den Kalender 2637 v. Chr. einführte, dort beginnt also die Rechnung der 60-Jahre-Zyklen. Den sogenannten »höchsten Ursprung«, also den Beginn der Zeit in ihrer zyklischen Ausrichtung, hatten chinesische Astronomen ebenfalls berechnet: Er liegt danach ca. 96 963 000 Jahre zurück. Besser belegt sind die vielen Kalenderreformen, die drei Jahrtausende später erlassen wurden. Die standen meist in Zusammenhang mit den enormen Fortschritten, die die Astronomie im Reich der Mitte machte.
Innerhalb eines Zyklus gibt es fünf 12-Jahres-Abschnitte – die Zahl Fünf spielt in der chinesischen Kosmologie eine grundlegende Rolle –, die jeweils mit einem Tier aus den fälschlich so genannten chinesischen Tierkreiszeichen assoziiert werden. Bei der chronologischen Einordnung ist der Großzyklus von 60 mal 60, also 3600 Jahren behilflich, aber die chinesische Zeitrechnung bietet noch eine erkleckliche Anzahl weiterer Zyklen an.
Unklar ist der Grund für den 60er-Rhythmus – möglicherweise liegt er darin, dass sechzig Jahre einem durchschnittlichen Lebensalter entsprechen. Oder dass die Planeten Jupiter und Saturn sich in diesem Rhythmus zueinander bewegen, denn der Jupiter spielte in China eine wichtige Rolle. Seine Umlaufzeit von zwölf Jahren ergibt mit der magischen Zahl Fünf multipliziert wiederum 60. Kalenderarithmetik besaß bei den Chinesen große Bedeutung, weil Zahlen und mathematische Bezüge kosmische Ordnung verkörperten.
Trotz der zyklischen Zählung verstanden die Chinesen die Zeit durchaus auch als linear und standen damit der jüdisch-christlichen Tradition näher, als gemeinhin angenommen wird. Wie so oft entpuppt sich die westliche Vorstellung als vorbelastet, in diesem Fall die des »zeitlosen« Orients, der sich in beständig wiederkehrenden Zyklen verliert. Nach westlicher Sicht, geprägt vom jüdischchristlichen linearen Zeitverständnis, schließen sich das zyklische und das lineare Zeitkonzept eigentlich aus – aber die Welt war und ist nun einmal nicht ausschließlich westlich. Sozusagen eingebettet in die lineare, für astronomische Berechnungen und Geschichtsschreibung verwendete Zeit, war bei den Chinesen die zyklische Zeit von der Natur vorgegeben und in religiösen Vorstellungen verankert. Das widerspricht sich auch gar nicht, wenn man die Zyklen nicht als absolut voneinander getrennt betrachtet, sondern als ein System wiederkehrender, einander gebärender Zeitwellen. Zumal bestimmte Jahre eines 60er-Zyklus durchaus historisch werdenkonnten, wenn sie für wichtige Ereignisse standen, die sich in ihnen zugetragen hatten.
Programmatisch drückte sich im chinesischen Kalender die Harmonie zwischen der jeweils herrschenden Dynastie und den Gesetzen der Natur bzw. dem Himmel aus. Darüber hatten in Vertretung des Kaisers, des »Herrn des Himmels«, die Hofastronomen zu wachen – Beamte, die gut daran taten, keine Fehler zu machen, weil das höchst unangenehme Folgen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen konnte. Denn die Harmonie des Kosmos sah man empfindlich gestört bei Missachtung der Vorgaben der Natur, die sich im Kalender ausdrückten, und das war unbedingt zu vermeiden.
Das Universum verstanden die Chinesen als eine hochsensible Angelegenheit, die auf falsches oder unmoralisches Verhalten – insbesondere des Herrschers – empfindlich reagierte. Der Kaiser musste sich also einer Art »kosmologischer Etikette« unterwerfen, wie es der Zeitsoziologe Günter Dux genannt hat. Beispielsweise konnte ein verhangener Vormittag den Kaiser mit dem Vorwurf konfrontieren, allzu strenge Gesetze erlassen zu haben. Und wenn der
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