Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Bevölkerungsstruktur, Wirtschaftsleben, von kulturellen, religiösen und politischen Aspekten, aber auch von den Apparaturen, die zur Verfügung stehen.
Unser westlich-modernes Zeitgefühl von Tempo, Kurzlebigkeit und der Erfahrung beständiger Beschleunigung nahm seinen Anfang in der europäischen Stadt des Mittelalters. Wollte man die Moderne als einen Hefeteig ansehen, der beständig geht und dabei mitunter hässliche Luftblasen schlägt, könnte man die aufstrebenden Städte des Mittelalters als eine Art Vorteig betrachten: Dort wurden Voraussetzungen geschaffen für die westliche Vorherrschaft, für Transport- und Informationsrevolution, Industrialisierung, Globalisierung und digitale Revolution. Dort begann die Beschleunigung, unter der wir bis heute zuweilen vernehmlich ächzen.
Die Mechanisierung der Produktion setzte im Mittelalter ein und revolutionierte die Zeitwahrnehmung, auch wenn bereits antike Autoren über das Diktat der Zeit klagten. Jetzt aber wurde die Zeit umfassend ökonomisiert und damit zunehmend verweltlicht,und eine Zeitmessmaschine namens Schlaguhr wurde seit Beginn des 14. Jahrhunderts zunächst vor allem an Türmen italienischer Städte für jedermann sichtbar installiert. Sie zeigte den Fortgang der Stunden akustisch an, während ihr Minutenzeiger noch eine lange Weile fehlten. Zuvor war das Zeitregiment entspannt gewesen; wichtige Zeitpunkte wurden von einer Vielzahl Glocken »ausgerufen«, deren Bedeutung den Stadtbewohnern geläufig war. Aber nun verkörperte die Turmuhr eindrucksvoll und unablässig das Leben unter der Zeit. Sie kündete seither vom ersehnten Ende des Arbeitstages, verfügte das Schließen der Stadttore oder eröffnete den Markt. Wem wir diese wegweisende Erfindung zu verdanken haben, ist bis heute nicht bekannt, aber sie verbreitete sich alsbald in ganz Europa und schließlich darüber hinaus.
Mit der Schlaguhr übernahm in den Städten des späten Mittelalters immer mehr die Stunde das Regiment. Durch Handel und Wirtschaft gelangte das Abendland nicht nur zu der Feststellung »Zeit ist Geld«, sondern auch nach und nach zur Einhaltung einer immer gleich langen Stunde. Sie löste die bisherige Tageseinteilung in zwölf saisonal unterschiedlich lange Stunden von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ab, die schon wegen ihrer schwankenden Länge nicht sonderlich hingebungsvoll beachtet wurden. Zunächst wurde eine präzisere Uhrzeit dort eingesetzt, wo Bedarf dafür bestand, aber gleichzeitig schuf das Angebot exakterer Zeiteinteilung neue Nachfrage. Das wiederum beförderte die Diziplinierung durch die Zeit: Die »neue« Stunde ersetzte nach und nach das Tagewerk als Arbeitseinheit, die städtische Uhr übernahm die Strukturierung des Tagesablaufs.
Bis Europa im Spätmittelalter zum ökonomischen Aufstieg ansetzte (und viel später seinen Zeitstempel dem Großteil der Welt aufdrückte), hatte Zeit keine sonderliche wirtschaftliche Bedeutung, Uhrzeit noch viel weniger. Landbesitz bedeutete Reichtum, und dabei war der Faktor Zeit unwesentlich – beziehungsweise imÜberfluss vorhanden, weil der gemächliche Rhythmus von Mutter Natur den Takt vorgab. Nun aber änderten sich die Zeiten grundlegend: Für den aufstrebenden Finanz- und Warenhandel wurde der Faktor Zeit sprichwörtlich zu Geld, hinzu kam die räumliche Vernetzung durch Handelskontakte, die zeitlich synchronisiert werden mussten. Mobilität spielte dabei eine Rolle – der Weg der Ware vom Produzenten zum Käufer wurde zum Kostenfaktor und damit auch die Zeit, die der Transport beanspruchte. Was aber bedeutet es, wenn Zeit zu Geld wird? Man geht sorgfältiger mit der kostbaren Ware Zeit um, und doch ist sie stets ein knappes Gut.
Später hielt die Uhr Einzug in die Häuser und schließlich im 16. Jahrhundert in Taschen und um 1900 an Handgelenke, was der Armbanduhr den wenig ruhmvollen Spitznamen »Zeitfessel« eintrug. Nunmehr hatte man im eigenen Haus einen Zeitmesser, dann stets bei sich – und konnte sich jederzeit den unerbittlichen Fortgang der Zeit vor Augen führen.
Mit der Maschine Uhr löste eine neue Wahrnehmung vom Kosmos die althergebrachte vom beseelten Firmament ab. Man verglich das Universum mit dieser staunenswerten Maschine, in dessen Präzision sich die Größe der Schöpfung abzubilden schien – Ausgangspunkt einer mechanistischen Sicht auf die Natur insgesamt. Nach und nach erzielten die Uhrenmacher technische Verbesserungen, sodass Uhren nicht mehr ständig gestellt werden mussten
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