Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
und damit die Vorstellung von der Zeit als ewiglich voranschreitend und als abstrakte Größe beförderten. Ein scharfer Wind unanfechtbarer Wissenschaftlichkeit durchwehte den Alltag der Menschen, und es war nur noch ein Schritt zu Isaac Newton (geboren in Lincolnshire, nach dem dort noch gültigen julianischen Kalender 1643) und seiner Auffassung von der Zeit als etwas Absolutem, das unabhängig von allem anderen existiert. Diese Ansicht nahmen die Philosophen Leibniz, ein Zeitgenosse Newtons,und im 18. Jahrhundert der Königsberger Immanuel Kant unter Beschuss, als sie der Zeit ihre objektive Existenz absprachen, da sie nur subjektiv wahrgenommen werde, als Beziehung zwischen Ereignissen, ohne die Zeit nicht vorstellbar sei.
Allmählich bildete sich so etwas wie ein Geschichtsverständnis heraus, ein historisches Bewusstsein für die kollektive Vergangenheit. Befördert wurde es von dem sich immer weiter verbreitenden Fortschrittsgedanken, der ja voraussetzte, dass beim Voranschreiten der Menschheit eine Vergangenheit zurückblieb. Während der Zeitgeist des 16. und 17. Jahrhunderts, bedingt durch Kriege und Seuchen, noch von Endzeitvorstellungen und der Betonung der Vergänglichkeit geprägt war, propagierten die Philosophen der Aufklärung eine positivere und diesseitige Sicht auf die Welt. Einen wichtigen Schub erfuhr der Fortschrittsgedanke schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts durch Charles Darwin und seine Evolutionstheorie. Unangefochten blieb die Idee des Fortschritts jedoch nicht. Ein Vorläufer für die antimodernistische Zurück-zur-Natur-Haltung unserer Tage war Jean-Jacques Rousseau, der in Ablehnung der Moderne seiner Zeit (und vielleicht gegen seinen Uhrmachervater gerichtet sowie seine Heimatstadt, die Uhrenmetropole Genf) seine Taschenuhr in hohem Bogen wegwarf.
Nur führte dieser ohnmächtige Protest zu nichts, ebenso wenig wie später die erbosten Reaktionen auf das neue Verkehrsmittel Eisenbahn, das in den Augen vieler Zeitgenossen gefährlich war – die hohe Geschwindigkeit schade der Gesundheit und vernichte den Raum, hieß es. Wohlgemerkt zu einer Zeit, als die Züge mit einem Bruchteil des Tempos unserer Hochgeschwindigkeitszüge vergleichsweise gemütlich durchs Land zockelten, jedenfalls aus heutiger Perspektive betrachtet.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts, also zur Lebenszeit des Uhrenfeindes Rousseau, häufen sich die Klagen über ein problematisch beschleunigtes Leben – heute gilt das Phänomen der Beschleunigungder uns umgebenden Zeit als einer der wichtigsten Aspekte der Moderne und ihr augenfälligstes Charakteristikum.
Der Prozess der Modernisierung lässt sich an Wegmarken der Beschleunigung und komplexeren Zeitmessung nachzeichnen: Während Nachrichten lange Zeit nur im Schneckentempo unterwegs waren, stieg mit der wachsenden Wirtschaft, dem Handel über Grenzen hinweg und durch die weit auseinanderliegenden Herrschaftsgebiete des Habsburgerreiches der Bedarf an schnellerer Übermittlung – der Kontinent wurde mit einem Postnetz überzogen. Der Aufbau eines leistungsfähigen Straßennetzes, bessere Transportmittel und ein dichteres Postnetz führten zur Transportrevolution des 18. Jahrhunderts, ohne die die Industrielle Revolution nicht möglich gewesen wäre. Parallel dazu wurden die Uhren immer genauer sowie Pünktlichkeit und Schnelligkeit immer wichtiger. Die Disziplinierung durch die Zeit war in den Städten weiter vorangeschritten; Schulen und Kasernen übernahmen die Aufgabe, diese Sozialnorm umfassend und früh durchzusetzen. Dabei waren die Städte in ihrer Zeitrechnung noch recht souverän – jede Stadt hatte ihre eigene Zeit. Mit zunehmendem Verkehr und dadurch steigender Mobilität wurden die verschiedenen Zeiten jedoch zum Problem, da Fahrpläne nach klaren (Zeit-)Ansagen verlangten. Wie zuvor bei der Kalenderrechnung wuchs der Bedarf für eine verbindliche Zeit im größeren Rahmen.
Einen enormen Schub in der Entwicklung der Zeitwahrnehmung bedeutete die Industrialisierung, anschaulich vertreten durch die Errungenschaften Dampfmaschine, Eisenbahn und Fließbandarbeit. Der Fortgang der Industrialisierung mit zunehmender Arbeitsteilung und immer strengerer Auffassung von Produktivität und Arbeitszeit ließ außerdem die Zeitmessung immer wichtiger werden – ein rhythmisierter Schichtbetrieb verlangte getaktete Arbeitnehmer, die die Maschinen so bedienen sollten, dass diesenicht mehr stillstanden, um keine Zeit und damit Geld zu verlieren. Der
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