Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
westliche Kultur noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Welt dominiert, lässt sich auf ein ganzes Bündel an Faktoren zurückführen, die auf komplexe Weise zusammenwirkten. Eindrucksvolle alltägliche Symbole dafür sind jedoch sicherlich der gregorianische Weltkalender und die Weltzeit von Greenwich. In China oder Japan, der Türkei oder Südamerika mag die Übernahme einer christlich geprägten Zeitrechnung als unumgängliche Einflussnahme oder als Ausdruck des Kolonialismus empfunden und mehr oder weniger widerstrebend durchgeführt worden sein. Doch angesichts der neuen Machtverhältnisse gab es zu ihr keine Alternative, um Anschluss zu finden an den Teil der Welt, der unmissverständlich den Ton angab. Und es war ein höchst wirkungsvoller, nachhaltiger Akt der Herrschaftsnahme des Modells Westen – kalendarischer Imperialismus in der Frühzeit der Globalisierung.
Um 1900 wurden die hektischen, niemals zur Ruhe kommenden Metropolen New York und Berlin zu Symbolen für das atemberaubende Tempo des Fortschritts: Für das deutsche Kaiserreich der Wende zum 20. Jahrhundert wurde der Begriff »das nervöse Zeitalter« geprägt, in dem »Tempokrankheiten« Furore machten, rasende Automobile den Stadtrhythmus beschleunigten undschließlich die Zigarette, bis heute Synonym für nervöse Zeitlichkeit, ihren Siegeszug antrat. Mit dem Futurismus des frühen 20. Jahrhunderts bekam die Verherrlichung von Geschwindigkeit sogar eine eigene Kunstrichtung. In Deutschland sprach man vom »Berliner Tempo«, wenn Schnelllebigkeit gemeint war, Schnellzüge rasten durch Europa, Hochöfen produzierten »Schnellstahl«, der Lochstreifen beschleunigte die Telegrafie, Automatenrestaurants servierten das erste Fastfood. Seither hat sich die Moderne keine Atempause gegönnt – mit Flugzeug und Raumfahrt, mit Computer, Handy und Internet, mit Videoclips und Technobeats, mit Powerwalking, Powernap und Speeddating ist unser Leben abermals beschleunigt worden, ohne dass ein Ende abzusehen wäre. Selbst der Natur haben wir unser Tempo aufgezwungen, das jedenfalls lassen Klimaszenarien vermuten, die die globale Erwärmung mit jeder Prognose schneller ablaufen lassen.
Weil die entfesselte Beschleunigung zunächst vornehmlich in den Metropolen der Welt zu erleben war, während es auf dem Land noch beschaulicher zuging, überforderten Großstadtbesuche um 1900 nicht selten die einheimische Landbevölkerung, die angesichts der ungewohnten Betriebsamkeit einen Kulturschock erleiden konnte. Umgekehrt wüteten Landbewohner häufig gegen die motorisierten Städter, wenn sie mit ihren unheimlichen Automobilen hupend über die Dörfer rasten. Tempobrüche kennzeichneten auch Begegnungen zwischen der westlichen Welt und Kulturen, die entspannter und lässiger mit Zeit umgingen. Zuletzt war das am Beispiel der sozialistischen Länder zu beobachten, die mit dem kapitalistischen System des Westens dessen rigide Zeitkultur übernahmen; die eigene war im Sozialismus bei Arbeit und Freizeit als erheblich entspannter erfahren worden. Schon früher hatten andere Länder die zeitliche Dimension als Kulturschock erlebt, etwa Japan und China im 19. Jahrhundert oder Naturvölker, wenn sie sich der westlich geprägten Moderne öffneten oderöffnen mussten und sich mit einem unerbittlichen Zeitverständnis konfrontiert sahen.
Das Unbehagen angesichts der ungebremsten Beschleunigung äußert sich seit vielen Generationen in einer Bandbreite von hilfloser Wut bis beißender Systemkritik. Seit Jahrzehnten ist von diktatorischer Tempokratie die Rede, die dem Menschen entgegen seiner Natur ein überzogen rigides Zeitkorsett verpasse. Der französische Philosoph Paul Virilio entwickelte eine eigene Wissenschaft von der Geschwindigkeit namens Dromologie und machte in der beständigen Beschleunigung vor allem des Verkehrs eine Sackgasse aus, an deren Ende nichts weniger als die Liquidierung der Welt zu erwarten sei. Sachbücher und Ratgeber schwärmen von Entschleunigung gegen den rasenden Wahnsinn unserer Zeit und verheißen ganzheitliche Erfüllung im Widerstand gegen Tempo und Moderne.
Sofort verfügbare Informationen verkürzen die Reaktionszeit – Kriege können schneller ausgelöst, Naturkatastrophen schneller bewältigt werden. Somit beschleunigt sich die Abfolge von Ereignissen und Handlungen, von Aktion und Reaktion, was das Leben in all seinen Facetten und im gesamten Bereich, den diese Zeitlichkeit einschließt, umfassend beschleunigt, natürlich ohne vor
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