Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Werden Tageszeiten streng unterteilt und damit das Leben der Menschen diszipliniert? Welchen Charakter besitzt Zeit: privat, religiös, funktional? Ist Zeit eine ökonomische Größe und daher knapp oder dagegen im Überfluss vorhanden? Werden zur Unterteilung des Tages Zeitmessgeräte verwendet, und wie ausgeprägt ist ihr Einfluss?
Wenn Gesellschaften wachsen und sich entwickeln, verändert sich auch ihre Zeitkultur und -wahrnehmung. Sobald Zeit keine rein mystische, kultische, religiöse Angelegenheit mehr ist, wird sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil aller Bereiche gesellschaftlichen Miteinanders. Entscheidend ist dabei, dass eine Gesellschaft ihren Mitgliedern eine Zeitkultur nicht nur auferlegt, sondern regelrecht einimpft – der gesellschaftlich vorgegebene Umgang geht den Menschen in Fleisch und Blut über. Eine Zeitkultur wird umfassend verinnerlicht und prägt nicht nur den Alltag, sondern auch das Erleben eigener Lebenszeit sowie des jeweiligen Zeitalters.
Zeit als kollektive Angelegenheit beruht auf gegenseitiger Absprache und strukturiert das soziale Miteinander. Wenn sich wirtschaftliche und soziale Prozesse beschleunigen, also die Lebensumwelt der Menschen, wirkt sich das ganz direkt auf ihr eigenes Zeitempfinden aus. Es erscheint paradox, dass einerseits die Alltäglichkeiten unseres modernen Lebens durch den technischen Fortschritt sehr viel schneller vonstatten gehen als vor einigen Jahrhunderten, wir uns aber gleichwohl in erheblich größerem Maße gehetzt fühlen als unsere Vorfahren. Das liegt daran, dass unser Leben so vielfältig geworden und damit der Lebensaufwandgestiegen ist. Wer Reisen kann, tut dies auch und verbringt damit Zeit, und die Fülle an angebotenen Zerstreuungen führt dazu, dass wir Zeit in sie investieren. Wer technische Innovationen nutzt, muss ihre Anwendungen zuvor erlernen. Unsere Konsumgesellschaft vermittelt zudem, unser Leben sei nur mit vielen zeitraubenden Dingen angefüllt auch ein er fülltes Leben. Und selbst wenn wir uns dem entziehen, prägt uns die Zeitwahrnehmung der Gesellschaft und der Epoche, in der wir leben, sehr viel mehr, als uns mitunter lieb ist. Wir können ihr kaum entfliehen.
In Gesellschaften existieren nebeneinander verschiedene Zeitkulturen, je nach den sozialen Gruppen, ihrem Alltag und ihren Aufgaben. In vormodernen Zeiten – ob dem europäischen Mittelalter, der Antike oder Frühstaaten wie Ägypten oder Altamerika – kam ein einfacher Bauer überall auf der Welt mit einem einfachen Kalender bestens zurecht, orientierte seinen Alltag am Stand der Sonne und besaß ein einfaches, aber hinreichendes Zeitgefühl, das den Erfordernissen seines Alltags entsprach. Für die Einteilung des Tages orientierte er sich am Sonnenstand, die maßgebliche Arbeitseinheit war das Tagewerk, das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang reichte. Feiertage unterbrachen diese Gleichförmigkeit und strukturierten sie gleichzeitig.
Tag und Jahr eines christlichen Mönchs wurden bestimmt von den kanonischen Stunden für die vorgeschriebenen Gebete sowie dem Verlauf des Kirchenjahres mit seinen religiösen Festtagen. Ebenso war es für das gottgefällige Leben eines babylonischen Priesters oder eines buddhistischen Mönchs unabdingbar, die gegebene Zeit zu achten, indem man die Gebets- und Opferzeiten genau einhielt und religiöse Festtage demütig beging. Die Zeit der Händler richtete sich dagegen nach Messen und Märkten, nach aufzuwendender Reisezeit, nach Termin- und Zinsgeschäften. Natürlich überschnitten sich unterschiedliche Parallelzeiten, etwa wenn der Bauer den städtischen Markt besuchte oder wennder Händler den Tag seines persönlichen Schutzheiligen beging. Insgesamt aber waren die Zeitstrukturen locker gefügt, die genaue Uhrzeit spielte eine nur sehr geringe Rolle.
Städtische Gesellschaften sind differenzierter, komplexer und damit auch auf ein anderes Zeitmanagement angewiesen als ländliche Gegenden – das gilt für die mesopotamischen Städte vor 4000 Jahren ebenso wie für das antike Rom, für das böhmische Prag um 1400 und die Maya-Stadt Copán des 8. Jahrhunderts. Dass viele Menschen auf engem Raum bei vielfältiger Interaktion höheren Bedarf für Terminabsprachen, zeitliche Vorgaben und standardisierte Zeitstrukturen haben, liegt auf der Hand. Zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen können diese Zeitkulturen jedoch höchst verschieden ausfallen – abhängig beispielsweise von Alltag,
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