Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Handel trieben, diplomatische Kontakte pflegten und Angehörige der Eliten miteinander verheirateten. Die Unterwerfung einer Stadt wurde auch dadurch gesichert, dass man hochgestellte Persönlichkeiten als Geiseln hielt, um die unterlegene Stadt von einem Aufstand oder der Annäherung an eine andere Großmacht abzuhalten. Mit Heiratsdiplomatie und Geiselpraxis taten es die Maya, ohne dass vor der spanischen Eroberung je Kontakte bestanden hätten, der politischen Praxis der »alten Welt« nach, wo die Politik damals nach durchaus ähnlichen Regeln funktionierte. Nun, da die Schriftquellen erschlossen werden und es sich erweist, dass die einstmals als vorbildlich friedvoll gerühmten, ja glorifizierten Maya kriegsgeprüft waren, schlägt das Pendel allerdings zur anderen Seite aus: Fast könnte man den Eindruck gewinnen, die Maya hätten untereinander ohne Unterlass Kriege geführt. Das allerdings trifft ebenso wenig zu, und die Bewohner der Maya-Lande waren zu ihren Lebzeiten vermutlich nicht häufiger von Kriegshandlungen betroffen als die Menschen anderer Zivilisationen und anderer Epochen.
Das Ende der Blütezeit im Stadtstaatensystem des Maya-Tieflandes fasziniert Fachleute und interessierte Laien seit Langem,und bis heute konnten die Vorgänge nicht befriedigend erhellt werden. Diese Faszination begann schon mit der Entdeckung vom Regenwald überwucherter Maya-Tempel und -Stadtanlagen sowie der rätselhaften Hieroglyphen, die ihren Inhalt zunächst nicht preisgeben wollten. Man könnte fast meinen, der Begriff »geheimnisumwittert« sei überhaupt erst im Hinblick auf die Ruinen der alten Maya-Städte geprägt worden. Eine hoch entwickelte Kultur mit unheimlichen Skulpturen und Schriftzeichen, die aus dem Gedächtnis der Menschheit getilgt war, gab Anlass zu wilden Spekulationen. Heute, nachdem ein beachtlicher Teil der Geschichte der Maya in mühevoller Kleinarbeit rekonstruiert werden konnte, vermuten die Forscher mehrheitlich, dass ein ganzes Bündel von Faktoren den Untergang der klassischen Städte bewirkte. Ein gewichtiger Gesichtspunkt führt uns ein weiteres Mal zum Maisgott Hun Nal Yeh: Angesichts eines bemerkenswerten Bevölkerungswachstums und damit verbundener Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen dürfte das Ende der landwirtschaftlichen Fahnenstange erreicht worden sein. Die Böden lieferten nicht genug Ertrag – trotz ausgeklügelter Anbaumethoden, die wiederum die Auswirkungen schlechter Ernten verschärften, weil der Ausfall umso größer war. Das System der Gottkönige geriet an seine Grenzen, wo das Gebot der Stunde gewesen wäre, völlig neue Wege einzuschlagen. Aber statt beherzt in die Zukunft zu schauen und Neues auszuprobieren, verharrten die Herrscher der Tieflandstädte in Tradition und Vergangenheit, die auf die drängenden Fragen jedoch keine Antworten liefern konnten. In den Augen der Menschen und durch Propaganda vielfach beschworen, waren die Potentaten aber der Garant für reiche Ernten und Wohlstand. Daher musste ihr Ansehen und das des ganzen Systems des Gottkönigtums empfindlich leiden, als plötzlich Missernten in Folge eintraten, Ackerböden schlechter wurden, Trockenperioden zunahmen und der für die Maisernteso wichtige Regen zum richtigen Zeitpunkt immer öfter ausblieb. Der verschärfte Wettstreit der Dutzende Städte untereinander und die auszehrenden Kriegszüge dürften ein Übriges dazu beigetragen haben. Unter solchen Umständen genügten wenige Missernten oder Unwetter, um das längst brüchige System ins Wanken zu bringen. Die Auswirkung all dessen war, dass immer mehr Menschen die Städte verließen, um anderswo bessere Lebensbedingungen zu finden, was wiederum den Gottkönigen und dem Stadtstaatensystem zunehmend die Machtgrundlage entzog. Und irgendwann verfielen die eindrucksvollen Bauten, weil sich niemand mehr um ihre Pracht und Herrlichkeit kümmerte, sodass die Natur den ihr abgetrotzten Raum wieder in Besitz nahm.
Mit dem rätselhaften Niedergang der Stadtstaaten und dem Ende der klassischen Periode war die Geschichte der Maya-Städte jedoch nicht zu Ende, denn einige Städte überlebten und neue wurden gegründet. Im Hochland von Guatemala war die Spätzeit der Maya von Krieg und Wanderungsbewegungen geprägt, bis sich das Maya-Volk der K’iche’ zum dominierenden Faktor aufschwang und das gesamte Hochland beherrschte. Auch sonst verschob sich das Geschehen aus dem südlichen Tiefland: insbesondere weiter nach Norden auf die Halbinsel
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