Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
nicht das Ende der Dynastie von Copán. Deren Strahlkraft und Autorität war jedoch einstweilen dahin, mochte sie auch noch bis ca. 820 bestehen, bevor sie ein endgültiges, möglicherweise gewaltsames Ende fand. Fast ein Jahrhundert zuvor hatte man noch an der bis heute imposanten Hieroglyphentreppe gebaut – von den wenigen erhaltenen Codices abgesehen das längste überlieferte Textstück aus der Geschichte der alten Maya.
In seinen besten Zeiten hielt Copán sich eine glanzvolle Ahnenreihe zugute, zurückgehend bis auf den Begründer Yax K’uk’ Mo, der 426 den Thron bestiegen hatte. Der vermutlich letzte Herrscher Copáns war Yax Pasaj (»Aufgehende Sonne«), der seit 763 regierte und wie sein Vorgänger seiner Stadt wieder zu mehr Einfluss und Wohlstand verhalf. Seine Mutter war eine Adelige aus Palenque, sein Vater allerdings nicht der verstorbene König, sodass Aufgehende Sonne wohl auch deshalb seine Abstammung zweifelsfrei in Stein verewigt sehen wollte. Er gab für das Jahr 775 eine Proklamation seiner dynastischen Herkunft in Auftrag, die an die Gründung der Dynastie erinnerte: Auf den vier Seiten des Altars Q sind alle sechzehn Herrscher von Copán so nebeneinander abgebildet, dass der Dynastiegründer Yax K’uk’ Mo, weit ausholend über viele Jahrhunderte, wie einen Staffelstab das Zepter an die neben ihm sitzende Nummer 16 der Herrscherfolge weitergibt: den Auftraggeber des Propagandawerks höchstselbst. Bei der feierlichen Einweihung wurden auf dem Altar 15 Jaguare geopfert. Die Grandeur, die Yax Pasaj entfalten ließ, erinnert ein wenig an die Verkörperung des europäischen Absolutismus: Ludwig XIV. Aber während man Ludwig von Frankreich bis heute als »Sonnenkönig« kennt, müsste man Aufgehende Sonne trotz seines Namens den Titel »Venuskönig« verleihen. Denn seine ikonografischen Verweiseund kalendarischen Bezüge sind vornehmlich an der Venus ausgerichtet.
An Yax Pasajs Bautätigkeit kann man aber bereits den nahenden Niedergang der Stadt ablesen: Ehrgeizig in der Planung, blieb sie in der Ausführung doch qualitativ erheblich hinter früheren Bauwerken der Stadt zurück – so wie der König seit der Quirigua-Krise auch nicht mehr unumschränkt regierte, sondern auf die Unterstützung seiner Oberschicht angewiesen war. Und das letzte Auftragswerk des Königs spricht Bände, gerade weil es nie fertiggestellt wurde: Es zeigt die Machtübergabe an den Nachfolger von Yax Pasaj, der sein Amt aber nie antrat – das letzte Datum aus Copán trägt das Datum 9.19.11.14.5, das entspricht dem Jahr 822 des julianischen Kalenders. Copáns Stern sank sternschnuppenschnell, wenige Jahrzehnte später wurde der Königspalast zerstört, Stadt und Umland entvölkerten sich innerhalb eines Jahrhunderts, während überall im Maya-Tiefland die einst stolzen Städte fielen, weil die Monarchie zusammengebrochen war.
Der legendäre Kollaps der stolzen Stadtstaaten überrollte das Land der Maya von Westen her, negativ dokumentiert vom Versiegen der Informationen, weil die Städte nicht mehr wie zuvor Stelen zur Erinnerung an wichtige Ereignisse aufstellten. In Tikal wurde schon das Festjahr 830, in dem ein Zyklus von 400 Jahren, ein bak’tun , zu Ende ging (10.0.0.0.0.), nicht mehr mit der Errichtung einer Stele gewürdigt, wie es sonst der Fall gewesen war, und die letzte Datierung aus dieser Metropole stammt aus dem Jahr 869. Nach über 700 Jahren endete damit eine eindrucksvolle Herrschergeschichte. Der Niedergang der klassischen Maya-Kultur vollzog sich über zwei Jahrhunderte; die letzte Inschrift, die ein Maya-König der klassischen Periode in Stein meißeln ließ, stammt aus dem Jahr 909 in Calakmul und erinnert an ein k’atun -Ende (Zyklus von 20 Jahren).
In der Region zwischen Yucatán und Guatemala spielte sich zur Zeit der alten Maya politisch also keineswegs ein harmonisches Miteinander der vielen Stadtstaaten ab, sondern es ging um Vorherrschaft und Hegemonie. Darin unterscheidet sich die Geschichte Mesoamerikas kaum von der anderer Weltgegenden. Macht bedeutete Zugriff auf Ressourcen und Handelskontakte – und damit Reichtum und weiteren Einfluss. Und darum rangen die Maya-Städte mitunter erbittert. Daneben gab es natürlich auch friedliche Kontakte, die Königs- und Adelsfamilien heirateten untereinander, was sie aber vom Kriegszug nicht notwendigerweise abhielt. Insgesamt waren es sechs größere Stadtstaaten, die um die Vorherrschaft konkurrierten, Bündnisse eingingen, miteinander
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