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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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China, aber ebenso das europäische Mittelalter, das Jerusalem als Vorbild jeder christlichenStadt ansah. Auch die Stadtplanung des Barock bemühte sich entsprechend um einen himmlischen Plan: Sei es in Versailles, wo der Sonnenkönig Ludwig XIV. seine absolutistische Regierung architektonisch gefasst sehen wollte, sei es in Berlin, wo Preußenkönig Friedrich Wilhelm I., ein tiefgläubiger Protestant, wenn auch als »Soldatenkönig« ungleich bekannter, seine Residenz gottgefällig perfektionieren wollte.
    Wieder einmal sind die Maya (oder vergleichbare mesoamerikanische Stadtanlagen, neben Teotihuacán möglicherweise die Aztekenkapitale Tenochtitlán) kein Sonderfall – dafür aber besonders faszinierend und bis heute ein höchst beeindruckendes Beispiel für astronomisches Können und die Bemühung, das Verständnis von Kosmos und Schöpfung im menschlichen Bauen verewigt zu sehen.
    Im Falle von Teotihuacán lassen sich Verbindungen zum Ritualkalender Tzolk’in herstellen – sie drängen sich bei eingehender Untersuchung regelrecht auf, sind jedoch als Absicht nicht eindeutig nachweisbar. Im Falle der Maya-Städte sind die astronomischen Bezüge weniger augenfällig als bei den Metropolen Zentralmexikos, aber trotzdem vorhanden, wenn auch die Frage der genauen Erklärung die Fachleute spaltet. Eine kosmologische Ausrichtung am Reißbrett mesoamerikanischer Stadtplaner ist nicht nachweisbar: Eine konkrete Absicht scheint augenfällig, lässt sich aber schon aus Quellenmangel nicht mehr belegen. Gleichwohl kommen bestimmte Anordnungen immer wieder vor, die neben symbolischen auch konkreten astronomischen und kalendarischen Zwecken gedient haben könnten.
    Als respekteinflößend müssen Besucher in Copán die Tempelanlage von Venuskönig Yax Pasaj aus dem 8. Jahrhundert empfunden haben, denn sie war ein getreues architektonisches Abbild des Maya-Kosmos: Sie stellt die drei Welten Xibalba , Menschenwelt und Götterhimmel dar, in der verbindenden mittleren hat derKönig seinen Thron aufstellen lassen – Symbol für seine Mittlerfunktion zwischen Menschenwelt und den für Normalsterbliche unzugänglichen Sphären der Götter. Zahlreiche Datumsangaben verweisen auf die Venus, Dreh- und Angelpunkt der Selbstwahrnehmung des Königs, und ihre Aufstiege, die ins Verhältnis gesetzt werden zu bestimmten historischen Ereignissen im Wirken Yax Pasajs und in der Geschichte Copáns – mal zutreffend (und in Übereinstimmung mit dem Dresdner Codex), mal klar gefälscht. Aber nicht nur ideologisch wird der Planet benutzt, sondern auch zu entsprechenden Phasen als Zeiger für die Maisernte herangezogen. Daher wird die Venus gern im Verbund mit den dazugehörigen Gottheiten abgebildet, vor allem dem Regengott Chaak und dem Maisgott – in diesem Club begegnet uns Letzterer wieder einmal als imageförderndes Alter Ego der Gottkönige.
    Vor allem im Maya-Tiefland, aber nicht nur dort, finden sich Dutzende Beispiele für den Typus der sogenannten E-Gruppe, so die ärchäologische Bezeichnung für ein bestimmtes Tempelensemble: in Tikal und Calakmul, aber auch in El Mirador, Uaxactun und Tayasal. Die E-Gruppe besteht aus einer meist freistehenden Pyramide an der Westseite eines Platzes, der östlich auf einer gemeinsamen Plattform drei weitere Tempel in Nord-Süd-Ausrichtung gegenübergestellt wurden. Vom westlichen Tempel oder dem Platz aus konnte man zu bestimmten Tagen die Sonnenwende an den äußeren Ecken des nördlichsten und des südlichsten Tempels beobachten oder über dem mittleren Tempel zur Tagundnachtgleiche die Sonne aufgehen sehen. Bislang konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob diese Anlagen astronomischen Zwecken dienten, denn dafür sind sie meist gar nicht ausreichend exakt ausgerichtet, auch wenn die Astronomie bereits weit entwickelt war. Der freistehende, von vier Seiten über Freitreppen zugängliche Tempel dürfte daneben als Sinnbild für die kalendarische Grundeinheit Tag oder für das Universum als Ganzes gedient haben, denn sein Grundrisswiderspiegelt die vier Erscheinungsformen der Sonne beziehungsweise die vier Himmelsrichtungen, die den Maya so wichtig waren. Entsprechend lassen sich freistehende Tempel generell als Symbol des Tages ansehen, sozusagen als baulicher Ausdruck des viergeteilten Schriftzeichens k’in , und daran anknüpfend als Bühne oder Bühnenbild für Kalenderrituale. Vieles spricht dafür, dass auch die E-Gruppe insgesamt eher zeremoniellen Zwecken diente und dabei die

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