Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
erhaltenen Maya-Codices werden nach der jeweils besitzenden Bibliothek Pariser, Madrider und Dresdner Codex genannt; der vierte, der Codex Grolier, nach dem Ort seiner Präsentation 1971 in der gleichnamigen New Yorker Galerie. Er ist der jüngste und könnte aus der letzten der von den Spaniern eroberten Maya-Städte stammen, Tayasal.
In der Sächsischen Staatsbibliothek zu Dresden liegt der älteste dieser berühmten Maya-Codices, der eifrig analysierte Venustabellen enthält. Die Dresdner Handschrift gilt als schönstes der überlebenden Bücher, wurde zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert verfasst und ist vermutlich eine Abschrift des älteren Originals, das nicht überliefert wurde. Schon wegen der klimatischen Bedingungen der Region wurden die Bücher immer wieder kopiert. Dass wenigstens diese wenigen Handschriften erhalten sind, verdanken wir vermutlich dem Geschäftssinn spanischer Konquistadoren oder Abenteurer, die die Fundstücke, die wohl eher zufällig dem Scheiterhaufen entgangen waren, in Europa an Leute verkauften, die sich für exotische Kuriositäten aus der Neuen Welt interessierten. Die Handschriften bestehen aus Almanachen und Tabellen, die alle möglichen Inhalte zusammenstellen: Nicht nurKalendarisches und Astronomisches werden vermerkt, sondern auch Hinweise über Heilmittel und für den Pflanzenanbau, das Wetter oder Handwerkliches. Den Bezugsrahmen liefert meist der Tzolk’in mit seinen 260 Tagen, der im Allgemeinen in fünf Abschnitte von je 52 Tagen unterteilt wird, manchmal auch in vier mit jeweils 65 Tagen.
Uns soll hier der Dresdner Codex beschäftigen, dessen Seiten überwiegend aus 43 Almanachen von je fünf Abschnitten sowie 14 mit je vier Abschnitten bestehen. Wie bei Handschriften des europäischen Mittelalters kann man auf den 39 beidseitig beschriebenen Seiten verschiedene Schreiber unterscheiden. Der Codex tauchte 1739 in Wien auf, wo ihn die Dresdner Staatsbibliothek kaufte, um ihn dann zunächst unbeachtet zur Seite zu legen, weil man nichts Rechtes damit anzufangen wusste.
Die Venustabellen auf sechs Codexseiten (24, 46 – 50) zeigen Zahlenreihen und Hieroglyphen, die die Venus in ihren verschiedenen Erscheinungsformen und Stadien darstellen, daneben Opferhandlungen bzw. gebeutelte Opfer der spitzen Pfeile der Venus. Dazu sind die Tagesnamen des Tzolk’in vermerkt, sodass die Angaben denen eines heutigen Taschenkalenders entsprechen, der außer dem Tagesdatum auch die jeweilige Mondphase vermerkt. Aber die Maya-Astronomen gehen über solche Petitessen weit hinaus. Der beschriebene Zyklus umfasst zwei Kalenderrunden, also 104 Haab . Dieser Zyklus heißt auch Große Runde, weil er mit 37 960 Tagen dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen der Zyklen von Tzolk’in , Haab und Venusumlauf entspricht: (146 × 260) = (104 × 365) = (65 × 584). Vermerkt wird außerdem, in welcher Himmelsrichtung die Venus sichtbar wurde, wie lange sie am Himmel stand und wo sie wieder verschwand. Und schließlich werden die Prognosen angefügt, etwa drohende Krankheiten oder eine schlechte Maisernte – bei der missgünstigen Venus sind die Vorhersagen deutlich weniger ausgewogen als bei anderen Himmelsgöttern.
Die Tabellen dienten als Handbuch für Astronomen, die damit die Erscheinungs- und Prognosedaten der Venus beeindruckend exakt nachvollziehen konnten: durch kundiges Blättern darin und dank eingebauter Korrekturfunktion für Tagesüberhänge aufgrund der kleinen Ungenauigkeiten der Kalendereinheiten über Jahrhunderte und der sich über die Monate ansammelnden leichten »Verspätung« des Mondes. Die Korrektur funktionierte vom System her so ähnlich wie unsere Schalttage, die ja auch nichts anderes tun, als angesammelte Lücken zwischen Kalender- und Sonnenjahr dann zu berücksichtigen, wenn ein ganzer Tag Rückstand zusammengekommen ist, also nach vier Jahren. Ganz ähnlich wurde der Nutzer des Venusalmanachs während seiner Berechnungen, die mit diesen Tabellen praktisch endlos in die Zukunft hinein hätten durchgeführt werden können, an bestimmten Stellen aufgefordert, ein paar Tage abzuziehen, um wieder genau auf Venuskurs zu liegen.
Die derart minimierte Fehlerquote lag bei den Maya erstaunlicherweise bei weniger als einem Tag in fünfhundert Jahren. Weitere Angaben kamen hinzu, so die Entsprechungen im Haab – und die Vorhersage von Mondfinsternissen, deren Abhängigkeit von der Venus die Maya-Astronomen prognostisch ausbeuteten, wobei sie in ihren Langzeitkalkulationen der
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