Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Götter anbeten und den Kalender in Ehren halten.
Der einzige Grund, das Ende der Welt konkreter ins Auge zu fassen, läge schließlich im rein religiösen Bereich, wenn also die Schöpfungsgötter nach all den Jahrtausenden das Experiment Maismensch nun doch nicht mehr für gelungen halten würden und ihm ein Ende setzen wollten. Zum einen aber zeichnen sich religiöse Prophezeiungen selten dadurch aus, Wirklichkeit zu werden. Zum anderen wäre nach dieser Weltsicht ein (wenn auch nicht kalendarisch) geeigneterer Zeitpunkt gewesen, der Schöpfung ein Ende zu machen, als die Maya auf den massiven Druck der Europäer hin ihre eigene Religion nach und nach aufgaben und das Christentum annahmen. Dieser Zeitpunkt aber liegt schon viele Jahrhunderte zurück.
Zweifellos ist für das Kalenderverständnis der Maya die Vollendung des dreizehnten bak’tun eine große Sache, und zwar mehr als die vorangegangenen bak’tun -Feiern, weil die Dreizehn als heilige Zahl galt. Aber dass die Mehrzahl der Kalenderangaben nicht über die fünf Stellen der Langen Zählung hinausgeht, heißt nicht automatisch, dass die Maya ihre Zeitrechnung und ihren kosmologischen Horizont darauf beschränkt und mit dem dreizehnten k’atun auch das Ende der Zeit und der Schöpfung veranschlagt hätten. Für die Langzeitchronologie der Maya war diese Form der Datumsangabe schlichtweg ausreichend, weil sich die zeitgenössischen Ereignisse überwiegend im achten und neunten k’atun abspielten und der Nullpunkt der Schöpfung als Bezugspunkt diente. Dass die Maya mit ihrer anspruchsvollen Mathematik in der Lage waren, darüber hinauszurechnen, haben wir an einigen Beispielen gesehen. Aber es gibt aus der Zeit der Maya-Klassik noch andere Datumsangaben, die sich mit den üblichen fünf Stellen nicht zufriedengeben. Normalerweise war diese erweiterte Angabe überflüssig, zumal sie über den historischen Zeithorizont weit hinausging. Aber zum Wohl exquisiter Zeitspiele und stolz dargelegter Kalenderarithmetik, für die Fortschreibung herrscherlicherGröße weit in die Zukunft und jenseits jeden Vorstellungsvermögens wurden solche abenteuerlichen Rechnungen bisweilen vorgenommen.
Im Inschriftentempel von Palenque findet sich der Verweis auf das dereinst zu begehende achtzigste Kalenderrunden-Jubiläum des Königs Pakal – zweifellos, um die Größe des Herrschers auch damit auszudrücken, dass selbst in unvorstellbar ferner Zukunft des einstigen Königs gedacht werden wird. Achtzig Kalenderrunden entsprechen 80 mal 52 Haab , also 4160 Jahren. Im Tempel der Inschriften wird dafür eine Abstandszahl vermerkt, die dem Datum 1.0.0.0.0.8 5 Lamat 1 Mol entspricht – dem 21. Oktober 4772 im gregorianischen Kalender, ein Samstag. Hier wurde also links von der Einheit bak’tun das nächsthöhere Kalenderbündel vermerkt: piktun , also 20 bak’tun . Das Datum liegt mithin etwas mehr als sieben bak’tun nach dem angeblichen Weltende. Und aus der im Tempel verewigten Rechnung ergibt sich, dass nach Vollendung des dreizehnten bak’tun der vierzehnte beginnt – und somit weder die Kalenderuhr auf null umspringt, noch die Welt untergeht.
Eine andere Datumsangabe aus Yaxchilán spielt wiederum ausgiebig mit der heiligen Zahl Dreizehn – und erweitert das Datum 9.15.13.6.9 3 Muluk 17 Mak , entsprechend dem 15. Oktober 744 julianischer Zählung, indem es ihm noch acht Stellen voranstellt, die jeweils 13 betragen:
13.13.13.13.13.13.13.13.9.15.13.6.9 3 Muluk 17 Mak
Das ändert nichts an der Verortung des Zeitpunkts, wohl aber am Zeitrahmen insgesamt, der damit nahezu ins Unendliche ausgedehnt wurde. Außerdem entlarvt diese Datierung, dass die Kalenderkundigen der Maya sich durchaus uneins waren, wie mit den kalendarischen Größenordnungen jenseits des bak’tuns mathematisch zu verfahren sei: Denn hier scheinen alle Positionen maximalbis Ziffer Dreizehn zu gehen. Es dürfte eine akademische Debatte gewesen sein, deren Klärung fürs Alltagsgeschäft ohne Belang war.
Ähnlich in der Fixierung auf die Zahl Dreizehn, aber noch mutiger, was eine kalendarisch gerade noch fassbare Ewigkeit betrifft, ist eine Kalenderangabe auf Stele 1 in der Stadt Cobá im heutigen mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo. Dort wird das Schöpfungsdatum 4 Ajaw 8 Kumk’u mit einer Langzeitdatierung von 20 21 × 13 tun abgebildet, also 20 Stellen über dem k’atun . Eine hübsch anschauliche mathematische Übung, die in der Tat die Ewigkeit in kalendarische Zyklen zu unterteilen
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