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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Mondphasen vom modernen Kenntnisstand nur um sieben Minuten abwichen. Was Julius Caesar der jahreszeitlich korrekte Neujahrstermin und den Christen der vorschriftsmäßig begangene Ostertermin nach dem ersten Frühlingsvollmond war, das war den Verfassern solcher Venustabellen die exakte Bestimmung des ersten Auftauchens der Venus am Morgenhimmel. Allerdings: Wenn es um die Entsprechung im Ritualkalender Tzolk’in ging, nahmen es die Maya-Astronomen mit der Exaktheit plötzlich nicht mehr so genau, aber das führte nur zu kurzfristigen Abweichungen im laufenden 260-Tage-Zyklus und nicht bei Berechnungen über längere Zeiträume.
Der Venuskönig von Copán
    Der Venuskönig von Copán, Yax Pasaj oder Aufgehende Sonne, dem wir bereits begegnet sind, hatte vielleicht ein vergleichbares Legitimitätsproblem wie sein Herrscherkollege Kan Balam von Palenque – mit dem er durch seine Mutter womöglich weitläufig verwandt war. Jedenfalls hatte Aufgehende Sonne eine Adelige aus Palenque zur Mutter, die oft genannt wird, während sein Vater verdächtigerweise nie ins Spiel kommt. Vermutlich also war er mit seinem Amtsvorgänger nicht oder nur indirekt verwandt, was ihn bewogen haben mag, in Komplizenschaft mit einem findigen Kalenderpriester die Sterne heranzuziehen, auf dass sie seinem Thronanspruch Unantastbarkeit verliehen – und sich dafür noch dazu eines Planeten zu bedienen, der den Herrschern von Copán schon häufiger als Propagandawaffe zu Diensten gewesen war.
    Der unbekannte Zeitfachmann bewerkstelligte, dass der Dienstantritt des neuen Königs pünktlich mit dem Auftreten der Venus als Morgenstern nach ihrer turnusmäßigen Abwesenheit zusammenfiel, wie eine Inschrift zu berichten weiß. Gleiches konstatiert eine andere Inschrift, die sich rückblickend auf die venusbeschienene Thronbesteigung seines Vorvorgängers bezieht, womit Yax Pasaj sich sozusagen legitimierend ins selbe Venuslicht stellt wie den König, dessen biologischer Abkömmling er eben nicht ist. Für die Venus als Leitstern und genealogischen Kitt gibt es im reichen Schaffen (und Fälschen) von Aufgehende Sonne noch zahlreiche andere Beispiele.
    Längst geht es in diesen Sterndingen erheblich professioneller zu, als wir das für die Zeit vermuten können, zu der Bauer Ben die Venuszeichen an der Tempelfassade in Cerros bewundert haben könnte. In den seither verstrichenen bak’tun und vielen k’atun wurden Erkenntnisse gewonnen, Beobachtungen verfeinert, sodass schon ein Jahrhundert vor Yax Pasaj einer seiner Vorgänger, derbereits erwähnte Achtzehn Kaninchen, in seinem Venustempel ein Fenster anbringen ließ, um von dort aus alle acht Jahre nach der Regenzeit den ersten Aufstieg der Venus am Abendhimmel verfolgen zu können, von deren Glanz vor allem der König profitierte. Astronomie und Kalenderwirtschaft wurden immer komplexer und komplizierter; was früher der ehrfurchtgebietende Auftritt des Königs zwischen den Hieroglyphenriesen von Morgen- und Abendstern war, wurde die ausgeklügelte Kalenderberechnung und exakte Ausrichtung eines Fensters zugunsten einer Venuserscheinung zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und beides diente der Verherrlichung der Königsmacht und ihrer Auserwähltheit durch die Gunst der Abstammung und der Sterne – jedenfalls so lange, wie das Volk das Prinzip des Gottkönigtums anerkannte und damit die Pracht der beschworenen Sterne gläubige Menschen beeindruckte.
    Es muss uns daher nicht verwundern, dass Astronomie und Kalender ebenso für Architektur und Stadtanlage der Maya herangezogen wurden. Wieder einmal diente dabei Teotihuacán als Vorbild. Die mächtige Stadt in Zentralmexiko war nach dem späteren Verständnis der Azteken der Ort der letzten Schöpfung und damit der Platz, an dem die Zeit ihren Anfang nahm. Sie war nach einem strengen Plan errichtet worden, der erkennbar den natürlichen örtlichen Gegebenheiten zuwiderläuft – sogar ein Fluss wurde gebändigt, um die kosmische Stadtanlage nicht zu stören. Architektur und vor allem Stadtplanung sind durch die Menschheitsgeschichte hindurch immer wieder Ausdruck religiöser oder kosmologischer Überzeugungen. Damit bildet das irdische Schaffen die Perfektion des Himmels nach, den Göttern droben zum Gefallen und den Menschen hienieden zum Trost, weil die himmlische Ordnung Sicherheit bedeutet gegenüber der Unberechenbarkeit der irdischen Natur. Vergleichbare Vorstellungen des städtischen Mikrokosmos als Abbild der Schöpfung kennt das alte

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