Der Medicus von Heidelberg
Zweite.
»Aber ohne Hund«, ergänzte der Erste.
»Ich weiß, ich weiß!« Ich hatte genug von den Wichtigtuern, nahm Schnapp und ging mit ihm ins Haus zurück.
De Berka lag da, wie ich ihn verlassen hatte. Er atmete flach, das Fieber war seltsamerweise verschwunden. Ein gutes Zeichen? Vorsichtig zog ich die Bettdecke zur Seite – und atmete auf. Sein Durchfall, eine der vielen Begleiterscheinungen der Pest, war nicht wieder aufgetreten. Dafür war er kalt wie ein Toter. War er schon tot? Ich prüfte den Puls. Erst nach mehreren Versuchen erspürte ich ihn. Er war sehr schwach. »Herr Professor?« Ich rüttelte ihn sanft. »Herr Professor?«
Er schlug die Augen auf. Sie waren wie gestern blutunterlaufen. Mein Kollyrium hatte nichts bewirkt. »Wie geht es Euch?«, fragte ich und bemühte mich um ein zuversichtliches Lächeln.
De Berka schüttelte unmerklich das Haupt. »Lasst … mich sterben.«
Ich musste mich über ihn beugen, um ihn zu verstehen. »Dafür ist es noch zu früh. Haltet durch, und Ihr werdet leben.«
Er antwortete nicht. Ich begann, ihn zu untersuchen. Die Bubonen, die ich gestern aufgeschnitten hatte, schienen zu verheilen. Dafür waren neue entstanden. Eklige Auswüchse voller Eiter. Ich würde sie aufschneiden müssen wie die anderen. Wahrscheinlich würden danach wieder neue entstehen, an immer neuen Stellen, und ich würde immer wieder von vorn anfangen müssen. Ein Kampf wie gegen die Hydra, deren neun Köpfe auf neun Hälsen immer wieder doppelt nachwuchsen. Ja, die Pest war zäh, tückisch und unberechenbar. Den Schwachen, so hieß es, unterlag sie, die Starken besiegte sie. Aber es konnte auch genau umgekehrt sein. Welche Gesetzmäßigkeiten verbargen sich dahinter? Oder gab es keine?
Ich zwang meine Gedanken, sich wieder mit dem Notwendigen zu beschäftigen. Abermals schien es mir am wichtigsten, die kranken, lebensbedrohenden Säfte aus den Bubonen zu schneiden. Ich spürte, dass ich schnell handeln musste. Die Auswüchse standen wie Hörner aus de Berkas Leib. Es war keine Zeit, ihn umständlich anzuheben, um ihm die Leibwäsche auszuziehen. So streifte ich sie nur hoch und setzte, ohne lange zu überlegen, erneut die Klinge an. Ich machte alles so, wie ich es schon einmal gemacht hatte, und hoffte inständig, es würde ausreichen. Als ich die neuen Verbände anlegte, hörte ich de Berkas Stimme wie von fern: »Geht, geht … es … ist vorbei.«
»Ich bleibe«, sagte ich fest. »Das Fieber scheint sich Eurer wieder zu bemächtigen. Ein gutes Zeichen, wenn ich an Eure eigenen Worte denke. Ihr sagtet, die Hitze sei ein Anzeichen dafür, dass der Körper sich gegen die Krankheit wehrt. Haltet es also mit Eurem Körper, wehrt Euch. Und trinkt Wasser, viel Wasser, ich will nicht, dass Ihr verglüht.«
Ich hob seinen Kopf an und flößte ihm von dem Nass aus dem Brunnen ein. Er trank mit winzigen Schlucken, verschluckte sich, lief rot an, röchelte, keuchte, wehrte mich mit matten Bewegungen ab. Aber ich kannte kein Erbarmen. »Ihr müsst trinken, Herr Professor, trinken, trinken!«
»Sterben … will sterben.«
»Ihr sollt leben, leben!«
Ich weiß nicht, wie lange ich den armen Mann nötigte, von dem Wasser zu trinken, es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Als ich endlich glaubte, es sei genug, war mein ganzer Körper verkrampft, ich fühlte mich elend, als sei ich selbst der Kranke. Dann fiel mir ein, dass ich noch immer nichts gegessen hatte. Ich schleppte mich in die Küche und verschlang den Rest der Suppe, kalt, wie sie war. Meine Lebensgeister kehrten zurück. Anschließend sah ich mich nochmals in der Vorratskammer um. Alle Dinge, die frisch auf den Tisch kamen, wie Eier, Butter, Brot und Gemüse, waren nicht vorhanden. Es gab noch den Schinken, von dem ich gestern ein gehöriges Stück abgeschnitten hatte, getrocknete Pilze, Erbsen, einen Rest von dem eingelegten Kohl und gesalzene Rettiche. Wahrlich keine Kost, um einen Todkranken zu stärken.
Aber was sollte ich machen. Auf den Markt würde ich erst am Montag gehen können. Bis dahin musste ich mit dem auskommen, was ich vorfand. Ich legte die Pilze in Wasser ein, tat von dem Kohl hinzu und schnitt Schinkenwürfel in das Gebräu. Die Erbsen ließ ich, wo sie waren. Sie würden zu lange einweichen müssen, außerdem fürchtete ich ihre blähende Wirkung. Den Rettich ließ ich ebenfalls beiseite. Dafür gab ich Salz in die Suppe, zu viel, wie sich erwies, denn der Schinken allein war schon salzig genug. Ich streckte
Weitere Kostenlose Bücher