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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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hemmungslos. »Nichts, nichts, oh, mein armer, armer Lauritz.«
    »Hört, Leute!«, rief der Bullige. »Man muss es schon richtig machen, sonst nützt der Zauber nichts. Der Fliegenpilz muss unter dem Netz der Kreuzspinne ausgegraben werden, das Hufeisen so angebracht, dass die offene Seite nach rechts zeigt, damit es als ›C‹ für ›Christus‹ gelesen werden kann, der Skarabäus ist nur echt, wenn er aus dem Land der Pharaonen kommt, und so weiter. Ich habe hier ein vierblättriges Kleeblatt von der irischen Insel. Die keltische Königin hat es besessen und ist mit seiner und Gottes Hilfe von der Pestilenz genesen. Aber das Blättchen will richtig behandelt sein …«
    Weiter kam er nicht, denn Schnapp und ich tauchten wie aus dem Nichts vor ihm auf. Ich hatte die üble Posse nicht länger mit ansehen können. Schnapp knurrte, und ich fuhr den Kerl mit hohler Stimme an: »Schweig, Mann, bevor du dich um Kopf und Kragen redest! Gib der armen Frau wenigstens ihr Geld zurück, wenn sie schon ihren Mann verloren hat.«
    Die Augen des Bulligen verengten sich. »Meine Glücksbringer sind allerbeste Ware!«
    »Ein Dreck sind sie, das weißt du genau.« Ich wandte mich an die Umstehenden. »Ist unter euch noch jemand, der von diesem Mann etwas gekauft hat?«
    Drei oder vier Hände hoben sich zögernd.
    »Und? Haben seine Glücksbringer geholfen?«
    Die Leute schüttelten die Köpfe. Eine Frau rief: »Nein, aber der rückt nichts wieder raus! Der Kaltwey nicht! Eher werden Raben weiß. Hab’s ja selbst schon versucht.«
    Die neben ihr Stehende warnte mich: »Mit dem legt Ihr Euch besser nicht an, Herr Doktor. Der hat Riesenkräfte.«
    »Soso, Kaltwey heißt du also«, sagte ich möglichst ruhig zu dem Bulligen. Gleichzeitig überlegte ich angestrengt, wie ich den Mann dazu bringen könnte, das erschwindelte Geld wieder herauszurücken. Obwohl ich es gern getan hätte, wollte ich Schnapp nicht auf ihn hetzen. Mein vermeintlicher Status als Arzt mochte ausreichen, mit einem Hund auf der Straße gehen zu dürfen, doch ob er mich schützen würde, wenn ein Händler erhebliche Bisswunden davontrug, bezweifelte ich. Eine andere Möglichkeit war, den Marktaufseher heranzuholen, damit er dafür sorgte, dass dem Betrüger das Handwerk gelegt wurde. Doch auch das schien wenig aussichtsreich. Wenn es einen Marktaufseher gegeben hätte, wäre er längst da gewesen. Blieb nur die Möglichkeit, den Kerl irgendwie einzuschüchtern. Ich hob den Stock und setzte ihn dem Übeltäter auf die Brust. Ich wollte drohen, dass ich damit eigenhändig seinen nichtsnutzigen Tand zerschlagen würde, wenn er den Schaden nicht augenblicklich wiedergutmache, doch ein Raunen in der Menge ließ mich innehalten.
    »Der Peststock!«, rief jemand mit unterdrückter Stimme, und ein anderer setzte fast feierlich hinzu: »Es ist der Stock, der Kranke und Tote küsst.« Und ein Dritter sagte: »Wenn Kaltwey ihn länger spürt, als ein Kindlein dreimal atmet, wird auch er an der Pest sterben.«
    Als ich diesen Unsinn vernahm, zog ich den Stock hastig zurück, doch der Stab hatte seine Wirkung bereits getan. Mit zitternden Fingern griff Kaltwey in seine Geldkatze, holte die Münzen hervor und gab sie den Betrogenen zurück. Verhaltener Jubel wurde laut. Rufe waren zu hören, wie: »Das geschieht ihm recht!«, und: »Der soll sich nie wieder blicken lassen!«
    Erleichtert, die Situation bereinigt zu haben, wollte ich weitergehen, um endlich einzukaufen, aber ich kam nicht dazu. Ein junger Mann berührte mich schüchtern am Arm und sagte: »Ihr habt dafür gesorgt, dass meine Muhme ihr Geld zurückbekommen hat, Herr Doktor. Ein halber Gulden stellt für sie ein kleines Vermögen dar. Erlaubt, dass ich in ihrem Namen bezahle, was Ihr erwerben wollt.«
    »Das kommt nicht in Frage«, wehrte ich ab, doch der Jüngling, er mochte fünfzehn Jahre zählen, ließ nicht locker. »Bitte, Herr Doktor, Muhme Lenchen besteht darauf. Endlich hat jemand diesem Kaltwey gezeigt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, da ist es nur recht und billig, wenn wir uns erkenntlich zeigen.«
    Das Mütterchen, das zuvor so herzzerreißend geweint hatte, schlurfte näher und lächelte unter Tränen. »Ihr könnt es ruhig annehmen, Herr Doktor. Vorhin hätte ich nicht einmal das Geld gehabt, Eustach die drei Pfennige zu bezahlen, damit er meinen armen Mann vor die Tore der Stadt karrt, doch nun hat sich dank Eurer Hilfe alles gewendet.«
    »Eustach?« Ich meinte, den Namen schon

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