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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Turm des Rathauses …«
    »Halt!« Die Stimme war nicht besonders laut, aber entschlossen. Und sie kam mir sehr bekannt vor. Justus Rating de Berka, der Hausherr, war zu meinem größten Erstaunen in die Halle gekommen. Er stand da, gebeugt und von der Krankheit gezeichnet, doch mit einem Blick, der die Eindringlinge durchbohrte. »Wenn ich mich nicht verhört habe, Soldat, wirft man Lukas Nufer eine Tätigkeit vor, die jeder barmherzige Mensch ebenso ausführen könnte. Nämlich das Aufschneiden und Verbinden von Bubonen, das Verabreichen von Laudanum und Weidenrinde und das Säubern der durch die leiblichen Funktionen eingeschmutzten Körperteile.«
    »Das mag sein. Aber es ist die Tätigkeit eines Pestarztes. Ich habe meine Befehle.«
    »Und ich habe die Nase voll von Eurem Gehabe.« De Berka war so ärgerlich, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. »Bestellt meinem Kollegen Sabber einen schönen Gruß, er möge sich freuen über jede Hilfe, die der Stadt durch Männer wie Nufer zuteilwird. Davon gibt es nämlich nicht viele.«
    »Ich bedaure, Herr Professor, ich tue nur meine Pflicht und muss deshalb …«
    »Ihr verlasst sofort mein Haus. Euer Befehl ist gegenstandslos.«
    »Wie meint Ihr?«
    De Berka musste sich auf die steinerne Bank setzen, denn die Kräfte verließen ihn. Doch seine Stimme war nach wie vor wie Stahl: »Euer Befehl ist gegenstandslos, weil Lukas Nufer nicht als Arzt arbeitet, sondern als Assistent eines Arztes, und das ist ein großer Unterschied.«
    »Gewiss, Herr Professor.« Der Soldat lächelte siegesgewiss. »Dann müsst Ihr mir nur noch den Arzt nennen, in dessen Auftrag Lukas Nufer arbeitet.«
    De Berka richtete sich mit Mühe auf.
    »Er steht vor Euch.«

Kapitel 12
    Erfurt,
30 . Mai bis 17 . Juli 1505
    I ch verstehe das nicht, Sabber ist doch sonst ein vernünftiger Mann«, sagte de Berka am anderen Morgen zu mir, als ich mich von meiner Stuhlkonstruktion erhob, um nach ihm zu sehen. »Ich habe mit ihm zusammen in Heidelberg studiert bei Doktor Martinus Rentz von Wiesensteig. Wie kommt er dazu, ausgerechnet in diesen Zeiten den Silbenstecher zu spielen? Will er päpstlicher sein als der Papst? Ich versteh’s nicht.«
    Ich verstand es genauso wenig, obwohl ich mich die halbe Nacht mit der Frage herumgeplagt hatte. »Hauptsache, du bist wieder gesund, Justus«, antwortete ich. »Wie hast du einmal zu mir gesagt? ›Es gibt kein großartigeres Gefühl auf Gottes weiter Welt, als einen kranken Menschen gesund gemacht zu haben.‹ Ich weiß nicht mehr genau, wie lange das zurückliegt, aber genau dieses Gefühl hatte ich gestern Abend, als du plötzlich in der Halle auftauchtest und den Soldaten gehörig die Meinung sagtest.«
    De Berka grinste flüchtig. »Ja, sie haben die Schwänze eingezogen und sich davongemacht. Trotzdem will mir die Angelegenheit nicht schmecken. Irgendetwas steckt dahinter, ich weiß nur nicht, was. Doch lassen wir das. Es ist ja gutgegangen. Reden wir zur Abwechslung mal nicht über meine, sondern über deine Gesundheit. Wie lange willst du eigentlich noch auf diesem Foltergestühl übernachten? Wenn du so weitermachst, wird es dir demnächst das Kreuz brechen. Warum tust du das überhaupt?«
    »Ich wollte dich nachts nicht allein lassen. Ich hatte immer Angst, du würdest sterben, wenn ich ginge.«
    »Ich bin aber munter wie ein Fischlein im Wasser. Doch Spaß beiseite. Was du für mich getan hast, Lukas, werde ich nie wiedergutmachen können.«
    »Das hast du doch schon«, sagte ich. »Stell dir vor, du wärest gestern Abend nicht dazugekommen, dann würde ich jetzt im Turmverlies des Rathauses schmachten.«
    »Ja, wenn du es so siehst.«
    »So sehe ich es.«
    »Dann will ich jetzt noch ein wenig schlafen.«
     
    Am nächsten Tag war de Berka bereits vor mir aufgestanden. Er erklärte sich für vollständig gesund – was natürlich Unsinn war – und wollte bei der Versorgung der Kranken helfen. Da ich ahnte, dass es vergebens sein würde, ihm das auszureden, ließ ich ihm seinen Willen. Doch keine Stunde war vergangen, als ihn die Kräfte bereits verließen. Widerstrebend musste er abermals das Krankenzimmer aufsuchen. »Aber ich schlafe höchstens bis Mittag«, betonte er. »Dann musst du mich wecken, Lukas.«
    »Gewiss«, sagte ich.
    Als de Berka sich zurückgezogen hatte, wandte ich mich an Hinz und Lilott. »Sagt, schafft ihr die Versorgung unserer Patienten für einige Zeit allein?«
    »Aber sicher.« Sie nickten einträchtig. Seit der Beerdigung

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