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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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von Lilotts Eltern, bei der Hinz ihr zur Seite gestanden hatte, schienen beide mehr als Freundschaft füreinander zu empfinden. Ich hatte nichts dagegen, solange sie nur Händchen hielten und Vater Eusebius keinen Anlass zum Tadel boten. Der Ärger, den mir Sabber, der Stadtmedicus, am gestrigen Abend bereitet hatte, reichte mir vollkommen. Und weil ich wusste, dass genau dieser Ärger in mir nagen würde, bis die Sache endgültig ausgestanden war, wollte ich Sabber aufsuchen.
    Ich wusste, dass seine Amtsstube in einem Fachwerkgebäude neben dem Rathaus lag, was bedeutete, dass ich zum Fischmarkt gehen musste. Da ich nicht sicher war, ob die Unterredung freundlich verlaufen würde, hatte ich Schnapp lieber in der Obhut von Hinz und Lilott gelassen.
    Es war nicht weit zum Fischmarkt, nur tausend Schritte, so dass ich wenig später dort eintraf. Ich betätigte mehrmals den Türklopfer des Gebäudes, doch niemand öffnete mir. Sollte ich aufgeben? Nein, irgendwo musste Sabber stecken. Ich fragte einen vorbeilaufenden Botenjungen, ob er wisse, wo der Stadtmedicus sich aufhielte.
    »Der Sabber, der sitzt bestimmt wieder beim Bier«, sagte der Junge und deutete mit der Hand auf ein prächtiges Patrizierhaus, in dem sich zu ebener Erde
Das Güldene Einhorn,
eine stadtbekannte Gastwirtschaft, befand.
    »Danke«, sagte ich und ging zu dem Haus hinüber. Ich betrat den Schankraum, in dem zur Mittagszeit reger Betrieb herrschte, und fragte den Wirt nach dem Stadtmedicus.
    »Ihr habt Glück, Herr«, antwortete er. »Dort drüben in der Ecke sitzt er.«
    Ich erblickte einen Mann von unscheinbarem Äußeren, der gut, wenn auch etwas nachlässig gekleidet war. Er saß hinter einem Krug Bier, und ich kannte ihn nicht. Dafür kannte ich den neben ihm Sitzenden umso besser. Es war Anselmus Engelhuss, der Mann, der mir vermutlich das Werk
Trotula major
entwendet hatte, um mich auf diese Weise in größte Schwierigkeiten zu bringen.
    Nachdem ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, ging ich auf Sabber zu, entbot die Tageszeit und sagte, ohne Engelhuss eines Blickes zu würdigen: »Ich möchte mit Euch sprechen, weil ich gestern Abend Besuch von zwei Soldaten der Stadtwache hatte. Sie wollten mich auf Eure Initiative hin verhaften. Darf ich fragen, warum?«
    Sabber lehnte sich zurück und blickte mich aus halb geschlossenen Augen an. Er wirkte gelangweilt. »Wer seid Ihr überhaupt?«, fragte er.
    Als ob Ihr das nicht genau wüsstest!, wollte ich ihn anfahren, doch ich beherrschte mich. Ich nannte ihm meinen Namen.
    »Nufer, ach ja, Nufer«, sagte er, beugte sich vor und trank aus seinem Becher.
    Engelhuss neben ihm kicherte.
    Ich wiederholte meine Frage nach dem Warum.
    »Hat der Soldat das nicht gesagt? Euch fehlt die Legitimation, um als Arzt zu arbeiten. Trotzdem habt Ihr Pestkranke behandelt.«
    »Ihr wolltet mich in den Rathausturm sperren lassen wie einen Verbrecher! Wenn das rechtens war, müsste jede Frau, die ihren kranken Mann umsorgt, ebenfalls ins Gefängnis gesteckt werden.«
    »Ihr habt als Arzt gearbeitet und seid keiner.«
    Engelhuss mischte sich ein und sagte scheinheilig: »Wenn das jeder tun würde!«
    Ich beachtete ihn nicht, obwohl es mir schwerfiel. »Herr Stadtmedicus Sabber«, sagte ich, »die Behandlungen an Pestkranken fanden im Haus des Professors de Berka statt, dessen Assistent ich bin.«
    »Ach ja?« Sabber lächelte verächtlich. »Ihr mögt sein Studiosus sein, sein Assistent seid Ihr nicht. Assistieren kann man nur jemandem, der selbst tätig ist, und das ist de Berka nicht.«
    Wieder mischte Engelhuss sich ungefragt ein: »De Berka liegt auf den Tod, wie man hört. Oder, um es mit Aristoteles zu sagen: Kein Arzt kann pestkrank praktizieren. De Berka ist Arzt. Also kann er nicht pestkrank praktizieren.«
    Gegen diese Argumentationskette konnte ich nichts vorbringen. Sie war logisch und geschlossen. Und dennoch nicht mehr als eine Spiegelfechterei. »Professor de Berka ist mittlerweile genesen. Er kann also sehr wohl als Arzt arbeiten – und ich als sein Assistent.«
    Sabber und Engelhuss wirkten zum ersten Mal überrascht. »De Berka genesen?«, wiederholte Sabber. »Nun, das sei ihm gegönnt. Dennoch rang er mit dem Schwarzen Tod. Dass er das tat, habt Ihr selbst der Stadtwache erzählt – übrigens versteckt unter der Schutzbekleidung eines Pestarztes, wie sich herumgesprochen hat.«
    »Herrgott im Himmel, es ging um Leben und Tod!«
    »Es ging um Recht und Ordnung«, verbesserte Engelhuss

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