Der Medicus von Heidelberg
Angesichts unserer Blicke wandte er sich zum Gehen, doch ich hatte genug gesehen, und was ich gesehen hatte, erfüllte mich mit Sorge.
Es war die schwarze Augenklappe in seinem Gesicht.
Kapitel 15
Heidelberg,
8 . bis 19 . Januar 1507
I ch habe mit Euch noch ein Hühnchen zu rupfen«, sagte Rosanna mit strengem Gesicht zu mir.
Ich lag im Bett in meiner Wäschekammer und schwitzte. Kurz nach Weihnachten war es gewesen, als das Fieber mich ereilte. Es kam wie aus heiterem Himmel und fällte mich wie einen Baum. Einen oder zwei Tage lag ich allein, zwischen Leben und Tod, zwischen Fieberschüben und Schüttelfrösten, bis Rosanna den Weg zu mir fand. Sie hatte gedacht, ich sei über die Festtage verreist, und war umso erschrockener, als sie mich halb tot vorfand.
In ihrer praktischen Art hatte sie sofort begonnen, Wadenwickel zu machen und einen Weidenrindentrank zu kochen. Auch brachte sie mir stärkende Hühnersuppe, von der sie mir immer wieder einen Löffel voll einflößte.
Langsam erholte ich mich, die Fieberschübe wurden seltener, und das verdankte ich einzig und allein ihrer rauhen, aber herzlichen Fürsorge. Sogar mit Schnapp war sie regelmäßig spazieren gegangen, damit er seine Geschäfte erledigen konnte.
»Welches Datum haben wir heute?«, krächzte ich.
»Freitag, den achten Januar 1507 , Herr Studiosus. Aber versucht nicht, mich abzulenken. Mir scheint, Ihr seid wieder so weit hergestellt, dass Ihr ein Donnerwetter vertragen könnt.«
»Ich habe Fieber, und ich habe Durst. Habt Erbarmen und gebt mir Wasser.«
Rosanna reichte mir einen Becher Wasser, den ich mit schwacher Hand zum Mund führte. »Danke.«
Nachdem ich getrunken hatte, nahm sie mir das Gefäß ab und sagte: »Ihr seid dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungen, das hat der Professor auch gesagt.«
»Koutenbruer war hier?«
»Mehrmals. Er hat Euch sogar eigenhändig zur Ader gelassen, und das will schon was heißen. Aber mehr zu tun wusste er auch nicht. Er hat irgendwas von Keimen und Miasmen gesagt, die in Euch wüteten, und dass der Körper dagegen ankämpfen müsse. Aber nun haben wir genug von Eurer Krankheit geredet. Welche Ursache das Fieber hatte, weiß nur Gott allein. Fest steht, dass Ihr wieder gesund werdet und dass Ihr schon wieder ein paar deutliche Worte vertragen könnt.«
»Was soll ich denn verbrochen haben?«
»Ihr habt mich nicht dazugeholt, als Ihr am Heiligen Abend ins Bordell gerufen wurdet, um eine Schnittentbindung vorzunehmen.«
»Daher also weht der Wind«, sagte ich. »Ich wurde zu einer schwierigen Geburt gerufen, so dachte ich zunächst. Dass eine Inzision des Mutterleibs notwendig werden würde, ergab sich erst später.«
»Ihr hättet mich rufen müssen. Ein Kind ist wichtiger als ein Fest, und wenn es nur das Kind einer Hure ist.«
»Es war nicht nötig, Euch zu holen. Die Bordellaufseherin hat mir assistiert und ihre Sache sehr gut gemacht.«
»Ach ja? Dann hätte sie Euch auch pflegen können, als Ihr auf den Tod lagt! Warum habt Ihr sie nicht kommen lassen, die Dame, wenn sie so tüchtig ist?«
Trotz meiner Schwäche musste ich grinsen. Rosanna war eifersüchtig. Eifersüchtig auf eine Bordellmutter!
»Ich weiß gar nicht, was es da zu lachen gibt!«
»Seid gnädig, Rosanna. Es ist ja bei der Entbindung alles gutgegangen. Sagt, wisst Ihr, wie es Merle geht?«
»Merle?«
»So lautet der Name der jungen Mutter. Sie gebar mit meiner Hilfe einen Knaben. Wisst Ihr, wie es beiden geht?«
Rosanna blickte noch immer säuerlich. »Woher soll ich das wissen? Ich pflege das Haus in der Großen Mantelgasse nicht zu besuchen.«
»Rosanna, bitte!« Ich richtete mich halb auf, wurde von ihr aber sofort wieder in die Kissen gedrückt. »Rosanna, ich wollte doch nur, dass Ihr das Fest im Kreise Eurer Familie verleben könnt.«
Sie verschränkte die Arme, sah mich an und schwieg für einen Moment. Dann sagte sie: »Es geht Euch zwar nichts an, aber ich habe keine Familie. Ich lebe allein. Am Heiligabend bin ich in die Kirche gegangen und anschließend in das ärmliche Loch, das ich meine Wohnung nenne. Da wäre die Geburt eines Kindes eine gute Abwechslung gewesen.«
»Das wusste ich nicht. Ehrlich gesagt, wäre ich froh gewesen, Euch dabeizuhaben. So aber musste ich es allein schaffen. Könnt ihr mir noch einmal verzeihen?«
Rosanna machte eine wegwerfende Bewegung. »Jaja, schon gut. Hauptsache, Mutter und Kind sind wohlauf. Wie seid Ihr im Einzelnen vorgegangen?«
Endlich war
Weitere Kostenlose Bücher