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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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das Eis gebrochen. Ich schilderte ihr ausführlich die Schritte der Operation, und als ich fertig war, sagte sie: »Ihr habt Euch wacker gehalten. Trotzdem wäre es besser gewesen, eine erfahrene Wehmutter wie mich an Eurer Seite zu haben. Aber ich will nicht wieder von vorn anfangen. Ein Sitzbad mit einer Kräutermischung aus Taubnesselblüten, Frauenmantelkraut und Kamillenblüten wäre womöglich hilfreich gewesen. Es entspannt den Muttermund und macht ihn weich. So, und nun müsst Ihr wieder schlafen. Schlaf ist die beste Medizin.«
    Sie ging, und wenige Atemzüge später war ich tatsächlich eingeschlafen. Ich schlief bis zum nächsten Tag durch, und als Rosanna kam, sagte ich: »Gibt es noch mehr Kräuter, die Ihr als Wehmutter kennt? Alles, was mit dem Gebären und der Gebärmutter zu tun hat, interessiert mich, wie Ihr wisst.«
    »Esst erst einmal diese Suppe.«
    Sie hatte mir aus der Küche des Wirtschaftsgebäudes eine Fleischsuppe mitgebracht, die ich mit Heißhunger verzehrte. Während ich aß, führte sie Schnapp aus, und als sie mit ihm wiederkam, hatte sie ein irdenes Gefäß bei sich, in dem sich die Kräutermischung zur Entspannung des Muttermundes befand. Ich roch daran und fragte nach der Zubereitung der Arznei.
    Sie antwortete mir gewissenhaft, doch weitere Fragen von mir unterband sie. »Wir wollen die Wiederherstellung Eurer Gesundheit nicht gefährden«, sagte sie. »Ich werde Euch von nun an aus dem Kräuterschrank jeden Tag eine Pflanze oder eine Mischung mitbringen, und wenn ich Euch die letzte gebracht habe, werdet Ihr gesund sein.«
    In den nächsten Tagen zeigte sie mir Judenkirsche gegen Gebärmutterentzündung, Mutterkraut gegen Blutungen, Buchsbaumschwamm gegen Geburtsschmerzen, ferner eine Mischung von Fenchel und Gundelrebenkraut zur geburtlichen Hilfe und Andornkraut, das bei Gebärmuttervorfällen zur Anwendung kommt. Ich studierte alle diese Kräuter und merkte mir ihre Farbe, ihren Geruch und ihre Wirkung. Dazwischen aber beschäftigte mich immer wieder die Frage, wie und wodurch ich das unerklärliche Fieber bekommen hatte. Ich war schon einmal wie vom Blitz von einer
febris
getroffen worden, in Erfurt war es gewesen, und mein Freund Justus Rating de Berka hatte mir damals gesagt, die Ursache des Fiebers sei eine Krankheit im Körper. Und er hatte hinzugefügt: »Da wir in den meisten Fällen die Ursache der Krankheit nicht kennen, können wir auch nur die Symptome des Fiebers – nämlich die Hitze im Körper – bekämpfen. Immerhin mag die Hitze ein Anzeichen dafür sein, dass der Körper sich gegen die Krankheit wehrt.«
    Das war alles schön und gut, aber welche Krankheit plagte mich? Ich wusste die Antwort nicht.
    Die zweite Frage, die mich beschäftigte, war, ob der Weiberfreund mich im Bordell erkannt hatte, während ich die Schnittentbindung durchführte. Denn dass er es gewesen war, bezweifelte ich nicht. Die Beschreibung, die mir meine Prinzessin von ihm gegeben hatte, passte genau, nicht zuletzt wegen der verräterischen Augenklappe.
    Eines stand jedenfalls fest: Der nichtsnutzige Schreiberling Actuarius hatte sein Maul nicht halten können und behauptet, Odilie in der Verkleidung eines Marktweibs gesehen zu haben. Mich musste er auch erwähnt haben, zumindest mich als Mann, denn die Anschuldigung ging dahin, Odilie hätte mit einem Fremden Unzucht getrieben. Andererseits hatte sie mir versichert, kein Sterbenswörtchen verraten zu haben.
    Konnte ich mich also sicher fühlen?
    Vielleicht ja. Actuarius hatte Odilie in seiner Eigenschaft als fürstlicher Schreiber sicher öfter gesehen und sie deshalb erkennen können. Mir jedoch war er insgesamt nur zweimal begegnet. Wahrscheinlich hatte er mich tatsächlich nicht wiedererkannt, zumal ich meine Bursarierkutte getragen hatte und er nicht wissen konnte, dass ich ein Studiosus der Medizin war.
    Halbwegs beruhigt, wollte ich mich von meinem Lager erheben, als die Tür aufging. Rosanna war es.
    »Nun, bringt Ihr mir wieder ein unbekanntes Kraut mit?«, versuchte ich zu scherzen.
    »Nein.« Rosanna blieb ernst. »Soeben war ein Bote da. Er gab mir eine schriftliche Nachricht für Euch. Hier ist sie.«
    Sie reichte mir ein Pergament mit großem, rotem Siegel. Es zeigte ein Kreuz mit unleserlicher Inschrift. Meine Hoffnung, eine Nachricht von Odilie zu bekommen, schwand. Ich brach das Siegel auf und begann zu lesen. Und je mehr ich las, desto mehr wunderte ich mich. Der Absender des Schreibens war der Bischofsvikar Hubert

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