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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nächste Morgen kam.
    »Ich gehe zum Apotecarius deines Hospitals«, sagte Fischel entschlossen, nachdem ich ihm bei Tagesanbruch meine Diagnose offenbart hatte.
    »Aber was willst du van Ryjk sagen? Ich möchte nicht, dass er etwas von meinem Zustand erfährt.«
    »Ich werde lügen. Ich werde ihm sagen, dass mein Weib eine Lungenentzündung hat, und er soll mir die entsprechenden Arzneien geben. Geld habe ich.«
    »Gottes Segen über dich.« Mehr brachte ich nicht heraus. Denn zu mehr fehlte mir die Kraft.
     
    Ich weiß nicht, wie ich die nächste Woche überlebte. Sie bestand aus einer Aneinanderreihung von Tagen und Nächten, in denen das Fieber mich an den Rand des Todes brachte. Ich hatte wirre Träume, sah Trugbilder und Erscheinungen, redete unverständliches Zeug, doch in den wenigen Momenten, da ich einen klaren Kopf hatte, war immer jemand an meiner Seite. Entweder Fischel oder Rahel. Und natürlich Schnapp.
    Am achten Tag, nachdem Fischel und Rahel mir unermüdlich heiße Auflagen von Leinsamen gemacht und mich immer wieder in dampfend heiße Tücher gewickelt hatten, sank endlich das Fieber, und die Schmerzen gingen zurück. »Das Laudanum lassen wir heute mal weg«, entschied Fischel. »Van Ryjk hat gesagt, meine Frau dürfe nicht so viel davon nehmen, sonst gewöhne sie sich zu sehr an die Droge.«
    Er gab mir eine stärkende Suppe, die Rahel gekocht hatte, und zum ersten Mal seit meiner Erkrankung konnte ich ohne Schmerzen essen. Die Suppe schmeckte vorzüglich.
    »Täusche ich mich, oder willst du noch mehr?«, fragte Fischel vergnügt. »Ich glaube, ein wenig schaffst du noch.«
    Nachdem ich eine weitere Portion gegessen hatte, versuchte ich aufzustehen, doch Fischel und Rahel drückten mich energisch in die Kissen zurück. »So weit bist du noch lange nicht«, sagte Rahel mit ungewohnter Strenge. »Du bleibst schön liegen.«
    Auch an den nächsten Tagen erlaubten sie mir nicht, das Bett zu verlassen. Sie begründeten ihre unbeugsame Haltung mit dem Rat von van Ryjk. Der Apotecarius hatte empfohlen, Rahel möge mindestens noch für zwei Wochen das Bett hüten, um die Krankheit mit Gewissheit zu besiegen.
    »Aber mit jedem Tag werden meine Muskeln schwächer«, protestierte ich. »Ich stehe jetzt auf.«
    Ich brauchte mehrere Anläufe und Fischels Hilfe, um halbwegs in die Höhe zu kommen. Das Fieber hatte meinen Körper völlig ausgezehrt. Nach wenigen schlurfenden Schritten keuchte ich wie ein alter Mann und musste mich wieder hinlegen.
    Doch von da an ging es jeden Tag besser. Und je mehr ich zu Kräften kam, desto öfter musste ich an Odilie denken. Was war geschehen, dass sie sich nicht gemeldet hatte? Wie konnte ich den Kontakt zu ihr knüpfen? Ich zermarterte mir das Hirn. In meiner Not erwog ich sogar, mich an meine neuen Brüder der
Sodalitas litteraria Rhenana
zu wenden. Sie waren Humanisten wie ich. Doch wem konnte ich mich anvertrauen? Koutenbruer, meinem Professor? Johann von Lindau, der mich bei meiner Promotion traktiert hatte? Dracontius, dem alten Prämonstratenser? Oder Adam Wernher von Themar, der dem Kurfürsten nahestand? Keiner der genannten Herren wusste von meiner innigen Verbindung zu Odilie, doch wenn sie sich für mich verwenden sollten, musste ich ihnen davon berichten. Und das war zu gefährlich.
    Nein, ich konnte keinen der genannten Herren für mich Erkundigungen einziehen lassen, so diskret sie auch dabei vorgehen mochten. Sie waren Personen, die im öffentlichen Licht standen, und jede ihrer Handlungen würde früher oder später bekannt werden. Auch dem Weiberfreund.
    Es blieb nur die Möglichkeit, selbst zum Schloss hinaufzugehen. Heimlich und unerkannt. Aber wie? Ich kannte ja nicht einmal die Stelle in der Mauer, durch die der kleine Junge seinerzeit geschlüpft war, um Odilie die Pomeranze von mir zu überbringen. Nein, auch das kam nicht in Frage. Was kam überhaupt in Frage? Gab es vielleicht einen Vorwand, der mir die Türen des Schlosses öffnen würde? Sozusagen ganz offiziell? Nein, auch den gab es nicht.
    Aber es gab Thérèse.
    Thérèse. Sie hatte es zu einer Patrizierin Heidelbergs gebracht und war sogar zu einem Maskenball eingeladen worden. Ihr konnte ich vertrauen – sofern es ihr gelang, einen einleuchtenden Grund für einen Schlossbesuch zu finden. Ja, Thérèse musste mir helfen.
    »Fischel!«, rief ich. »Kannst du mir Thérèse herbeischaffen? Ich muss unbedingt mit ihr reden.«
    Fischel kam an mein Bett und fragte: »Ist das die Kleine aus

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