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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dich mit Rahels Hilfe an Bord holen. Mein Gott, bist du schwer. Ein volles Netz ist nichts dagegen.«
    Ich spürte, wie Fischel und Rahel mich über das Dollbord in den Kahn zogen. Fischel machte sich an meinem Mund zu schaffen. Er schraubte die Birne heraus.
    Eine Zunge fuhr mir übers Gesicht. Es war Schnapps Zunge.
     
    »Schnapp hat dir das Leben gerettet«, sagte Fischel am nächsten Morgen zu mir. »Erinnerst du dich noch, was ich in Basel im
Swartzen Sternen
zu dir sagte, als du ihn abgeben wolltest? Ich sagte: ›Vielleicht wirst du eines Tages froh sein, einen Beschützer zu haben.‹ Nun,
amicus meus,
er hat dich nicht nur beschützt, er hat dich sogar vor einem jämmerlichen Tod bewahrt.«
    »Wie das?«, brachte ich mühsam hervor. Jedes Wort, das meine Lippen formten, bereitete mir Höllenqualen.
    »Er stand gestern Abend wie aus dem Nichts vor unserer Tür. Bellte, als gelte es, den Teufel persönlich zu vertreiben. Ich begrüßte ihn, aber er ließ sich kaum streicheln, wollte immer nur fortlaufen. ›Was hat der Hund bloß?‹, fragte ich meine kluge Frau. Sie musste nicht lange überlegen. ›Er will uns irgendwohin führen‹, sagte sie. ›Vielleicht zu Lukas.‹«
    »Genauso war es.« Rahel wiegte den kleinen Simon auf dem Schoß. Sie saß an meinem Bettrand und schaute mich aus ruhigen Augen an. »Schnapp wies uns den Weg zu einem Punkt am Ufer, wo er stehen blieb und in einem fort auf den Fluss hinaus bellte. ›Lukas muss irgendwo da draußen sein‹, sagte ich.«
    Fischel nickte. »Da holte ich das Boot, und wir machten uns auf die Suche. Den Rest kennst du.«
    »Danke«, krächzte ich. »Es … es geht mir nicht gut.«
    »Das glaube ich. Rahel sagt, du hast hohes Fieber. Ich weiß nicht, wie lange du im kalten Fluss ausharren musstest, aber es grenzt an ein Wunder, dass du überhaupt noch lebst. Da ich davon ausgehe, dass du dich nicht freiwillig in die Fluten gestürzt hast, dürfte dir jemand nach dem Leben getrachtet haben. Auf eine besonders niederträchtige Art. Die Sache ist also nicht koscher. Ich bin deshalb auch nicht zu Professor Koutenbruer gelaufen, um ärztlichen Beistand für dich zu erbitten. Wenn ich es tun soll, musst du es sagen.«
    Ich schüttelte matt den glühenden Kopf. Wer auch immer meinen Tod herbeiführen wollte, es würde sicherer sein, ihn in dem Glauben zu lassen, der Anschlag auf mich sei gelungen. Um das zu erreichen, musste der Kreis meiner Mitwisser so klein wie möglich bleiben. Auch Rosanna durfte nichts wissen, obwohl sie sich von allen am meisten sorgen würde. »Ich schaffe es auch so.«
    »Ich hoffe es, alter Freund. Unkraut vergeht nicht, so heißt es ja.«
    Rahel hatte sich unterdessen erhoben und mir einen heißen Weidenrindentrank gebracht.
    »Bitte, ich kann nichts trinken«, stöhnte ich. »Die Mundbirne …«
    »Meinst du das grässliche eiserne Ding, das Fischel aus dir herausgeschraubt hat?«
    Ich nickte.
    »Wer hat es dir in den Mund gestopft?«
    Mühsam, mit vielen Unterbrechungen, schilderte ich, wie die beiden Spitzbuben Schnapp und mich überfallen hatten.
    Als ich fertig war, sagte Fischel: »Das ist nicht mehr und nicht weniger als Folter, was die beiden Schurken mit dir angestellt haben. Aber ich glaube nicht, dass der Überfall auf ihrem Mist gewachsen ist. Ich vermute, es hat noch einen Dritten gegeben, der sich einen Spaß daraus machte, mit ihrer Hilfe den Inquisitor zu spielen.«
    Ich nickte wieder und dachte an den Weiberfreund. Ein bestimmtes Gefühl sagte mir, dass er dahintersteckte, auch wenn er nichts von mir wissen konnte.
    Konnte er das wirklich nicht?
    »Du musst den Trank schlucken«, bestimmte Fischel. »Das Fieber muss runter.«
    Ich gehorchte, wenn auch unter Qualen.
    Als ich getrunken hatte, sagte Rahel: »Und jetzt musst du schlafen und schwitzen. Das ist die beste Medizin.«
    Ich schlief den ganzen Tag und die halbe Nacht, und als ich erwachte, sah ich nur ein brennendes Lämpchen auf dem Tisch neben meinem Bett. Schnapp lag zu meinen Füßen und schaute mich aus seinen treuen Augen an. Er spürte gewiss, wie schlecht es mir ging. Zu dem Fieber und den wunden Lippen waren starke Schmerzen im Brustbereich gekommen. Ich stellte eine Selbstdiagnose, und die war besorgniserregend. Sie lautete auf Lungenentzündung. Was konnte ich dagegen tun? Ich mochte Fischel, Rahel und den kleinen Simon, die im selben Raum wie ich schliefen, nicht aufwecken.
    So wälzte ich mich unruhig von einer Seite auf die andere, bis der

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