Der Medicus von Heidelberg
wenigen Tagen zeigte sich, dass er sich geirrt hatte. Das Geschwür wuchs trotz allem weiter. Er fluchte gotteslästerlich und ließ seine Wut an seiner Umgebung aus. Auch an mir. Es war eine schreckliche Rückreise zum Schloss. Gottlob kam einen Tag nach unserer Ankunft Thérèse, um zu ergründen, wo ich die ganze Zeit geblieben war. Sie war sehr einfühlsam.«
Odilie hielt inne und sagte: »Nun weißt du, wie es mir ergangen ist. Doch was ist mit dir? Du siehst blass aus, mein Liebster.«
»Ich habe viel erlebt, meine Prinzessin«, antwortete ich zögernd. »Gutes und weniger Gutes. Ich möchte dich nicht damit belasten.«
»Du musst es mir sagen. Vergiss nicht, ich bin deine Frau!«
Ich musste lächeln. »Ja, du bist meine Frau. Und du wirst immer meine Frau sein. Bis zum Jüngsten Tag.« Ich küsste sie sanft, und sie erwiderte meinen Kuss. Dann löste sie sich von mir und sagte mit gespielter Strenge: »Was hast du an Gutem und weniger Gutem erlebt?«
Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Geschichte des Überfalls auf mich ein weiteres Mal zu erzählen. Ich machte es kurz und schilderte die Dinge harmloser, als sie gewesen waren. Dennoch war Odilie empört und sprach sofort aus, was auch ich vermutete: »Dahinter steckt gewiss der Weiberfreund. Er wollte dich töten lassen. Mein Gott, wie ich ihn hasse.«
Es stimmte mich milde, dass sie so ungestüm für mich Partei ergriff. Deshalb antwortete ich: »Oftmals habe ich überlegt, wie ich mich an ihm rächen könnte, aber ich denke, durch das Geschwür ist er schon gestraft genug. Vielleicht hat er nicht mehr lange zu leben.«
»Er ist zäh wie eine Katze. Manchmal glaube ich, er hat sieben Leben. Wer so hurt und frisst wie er, müsste schon längst gestorben sein.«
»Wir haben viele wunderschöne Tage vor uns«, erwiderte ich, »die wollen wir uns nicht durch die Gedanken an ihn verderben lassen. Du bist bei mir, und ich bin bei dir, das ist doch die Hauptsache.«
»Ja, das ist die Hauptsache«, flüsterte meine Prinzessin.
Wenig später, nach einem kargen Mahl aus Beeren, Brei und Käse, kuschelten wir uns in unser gemeinsames Lager. »Weißt du noch, dass Schnapp die ersten Male immer zwischen uns liegen musste?«, flüsterte Odilie.
»Ich weiß es noch ganz genau«, flüsterte ich zurück. »Und noch besser weiß ich, was passierte, als er zum ersten Mal nicht zwischen uns liegen musste.« Ich nahm meine Prinzessin in die Arme, spürte die Weichheit ihrer Haut, sog den Duft ihrer Haare ein und drückte sie ganz fest an mich.
Und dann kam alles so, wie ich es mir in zahllosen Nächten zuvor erträumt hatte.
Am Morgen darauf wurde ich von dem Zwitschern der Heckenbraunellen geweckt. Odilie lag schlummernd in meinen Armen. Eine Weile sah ich sie an, betrachtete ihre Haut, die so rein war wie Rahm, ihre kleine, gerade Nase, ihre leicht geöffneten, sanft geschwungenen Lippen. Ein grenzenloses Glücksgefühl durchströmte mich, denn sie war mein. Sie, eine fürstliche Prinzessin, hatte sich für mich, den Sohn eines einfachen Kaponenmachers, entschieden. Das wollte ich nie vergessen, einerlei, wie viel Freud oder Leid die kommende Zeit bringen mochte.
Behutsam löste ich mich von ihr und stand auf. Ich trat vor die Hütte, Schnapp an meiner Seite, und stellte fest, dass es schon heller Tag war. Die Sonne schien aus einem wolkenlosen Himmel herab. Ein leichter Wind blies durch das Gehölz und ließ die Blätter rauschen. Ich streckte mich und ging die wenigen Schritte zum Ufer. Der Neckar floss ruhig dahin. Fischerboote und getreidelte Kähne ließen sich nicht sehen, denn es war Sonntag. Ich trat aus dem Gesträuch einiger Himbeerbüsche heraus und ging mit nackten Füßen ins Wasser. Schnapp, der gern schwamm, folgte mir. Das Wasser fühlte sich kühl und angenehm an. Der Neckar, der mich vor gar nicht langer Zeit fast verschlungen hätte, zeigte sich von seiner freundlichsten Seite.
Auch am gestrigen Tag, als Fischel mich auf der Insel abgesetzt hatte, waren seine Wasser ruhig gewesen. Fischel hatte einen Schlauch Wein hervorgezogen, gegrinst und behauptet: »Der Tropfen ist zweifellos nicht koscher, aber er wird uns die Zeit vertreiben, bis Odilie erscheint. Trink dir ein wenig Mut an.«
Kurz darauf – wir hatten jeder nur zwei oder drei gute Schlucke getrunken – hörten wir einen Pfiff am jenseitigen Ufer. »Beim Erhabenen, dessen Name gepriesen sei!«, hatte Fischel ausgerufen. »Die Damen sind schneller, als ich dachte. Sie
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