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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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schon nach kurzer Zeit. Immerhin erwies sich das, was Frieda erzählt hatte, ohne Einschränkung als richtig: Ich war der neue Eigentümer von Thérèses prächtigem Anwesen.
    Erst am Nachmittag ließ mich der Paragraphenreiter aus seinen Klauen. Ich beschloss, nicht gleich zum Pfründnerhaus zu gehen, wo Meister Karl und Schnapp auf mich warteten, sondern einen Abstecher zu meinem alten Freund Fischel zu machen. Ich hatte ihn neun Monate lang nicht gesehen, stattdessen nur zwei oder drei Briefe mit ihm gewechselt, und mein Wunsch, ihn wieder in die Arme zu schließen, war groß.
    »Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, welcher so weit geirrt, nach des heiligen Troja Zerstörung!«, rief Fischel mir entgegen, als ich sein schmales Haus betrat.
    »Ich bin nicht Odysseus, und ich habe auch keine Odyssee hinter mir«, antwortete ich lachend. »Ich war nur in Oppenheim.«
    »Das ist weit genug für einen wie mich, der tagein, tagaus in Heidelberg festklebt«, versicherte Fischel mit gespieltem Ernst. Doch dann musste auch er lachen. »Dem Erhabenen, dessen Name gepriesen sei, ist zu danken, dass du heil zurück bist. Lass dich umarmen. Geht es dir gut,
amicus meus?
«
    »Ja, mein Freund«, sagte ich und begann zu erzählen, nachdem die kluge Rahel mir einen Becher Brunnenwasser zur Erfrischung gereicht hatte.
    Als ich mit meinem Bericht über Oppenheim fertig war, schilderte Fischel die Ereignisse in Heidelberg, beklagte die Toten und sprach von den Veränderungen, die sich aus den Folgen der Pest ergeben hätten. »Ich bin jetzt stolzer Besitzer eines eigenen Schiffes«, erzählte er. »Der Fischer, dem es gehörte, hat es mir vermacht, als er im Sterben lag. Er sagte, ich hätte Flusswasser im Blut, und da meine Lehrzeit im nächsten Jahr zu Ende ginge, wäre das sein Abschiedsgeschenk an mich. Das Dumme ist nur, dass ich mit dem Geschenk nicht viel anfangen kann, denn solange ich nicht Geselle bin, darf ich kein Schiff führen. Deshalb habe ich es vermietet, das ist besser als nichts und bringt einen halben Gulden im Monat.«
    »Ein halber Gulden ist sehr viel«, sagte ich.
    »Viel, aber nicht zu viel«, meinte Fischel vergnügt. »Es wird eine Zeit kommen, in der wir jeden weiteren Pfennig gut brauchen können.« Er sah Rahel vielsagend an.
    Rahel errötete sanft.
    Ich begriff. »Heißt das, bei euch ist wieder etwas unterwegs?«
    »Du hast es erraten,
amicus meus.
« In Fischels Stimme schwang Stolz mit.
    »Ich gratuliere. Das ist mal eine gute Nachricht! Aber ich habe auch eine: Odilie ist ebenfalls schwanger. Ich habe es gestern Abend in der
Sonne
gehört.«
    »Du bist ein Glückspilz!«
    »Ja, das mag sein. Obwohl ich mir dessen nicht ganz sicher bin. Der Weiberfreund, der es schon einmal auf mich abgesehen hatte, wird genau wissen, dass Odilie nicht von ihm schwanger ist, und sich fragen, wer sonst als Vater in Frage käme.«
    Fischel überlegte. »Andererseits weiß der Weiberfreund nichts von eurem Aufenthalt auf der Gais-Insel. Er könnte den Vater auch unter den Schlossbediensteten vermuten. Doch einerlei, was er denkt, er hat wahrscheinlich anderes zu tun, als sich Rachegelüsten hinzugeben. Dafür ist er viel zu krank.«
    »Aber er ist zäh wie eine Katze«, wandte ich ein. »Das hat Odilie auch gesagt.«
    »Er ist ein Mensch. Ich darf dich an die Argumentationsketten des Petrus Hispanus erinnern, die wir in grauer Vorzeit lernen mussten. Da hätte es geheißen:
     
    Jeder Mensch ist sterblich.
    Der Weiberfreund ist ein Mensch.
    Also: Der Weiberfreund ist sterblich!
     
    Keine sonderlich bedauernswerte Erkenntnis, wie ich hinzufügen möchte.«
    Ich seufzte und trank mein Brunnenwasser aus. »Wenn ich nur wüsste, wie ich Verbindung zu Odilie aufnehmen kann, jetzt, da Thérèse tot ist.«
    Rahel sagte: »Gab es da nicht Chlodwigus, den Leiter der Schlossbibliothek? Nach dem, was Thérèse andeutete, empfanden beide etwas füreinander. Ich könnte mir vorstellen, dass Chlodwigus auch öfter in der Universitätsbibliothek zu tun hat. Da sie in der Heiliggeistkirche untergebracht ist, brauchtest du dich dort nur umzuschauen, und mit ein wenig Glück würdest du ihn treffen. Ob er verlässlich ist, weiß ich natürlich nicht. Aber für den Fall, dass er es ist, könnte er den Kontakt zu Odilie für dich herstellen.«
    »Das ist ein guter Gedanke«, sagte ich, obwohl mir die Idee recht ungewiss vorkam, denn ich kannte Chlodwigus nur in seiner Verkleidung als Zauberer Merlin. »Ich glaube, ich

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