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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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entstanden. Rasch legten wir die kurze Entfernung bis zur Oberspeirischen Straße zurück, Schnapp in unserer Mitte, und betraten die
Sonne.
Ich kannte das Wirtshaus als einen beliebten Treffpunkt, an dem es stets laut und lustig herging, umso überraschter war ich, wie schlecht besucht die Schankstube war. Aber vielleicht lag das an der frühen Abendstunde.
    Gewöhnlich saß ich gern für mich allein, doch an diesem Abend steuerte ich zielstrebig auf den einzigen besetzten Tisch zu. Mehrere ältere Männer saßen daran, tranken billigen Wein und aßen ein Stück Wurst oder Käse. Wir setzten uns zu ihnen, nachdem ich gefragt hatte, ob es ihnen recht wäre. Ich spendierte einen Krug vom besten Wein und fragte sie, was es Neues gebe.
    »Unser Kurfürst Philipp ist gestorben«, erzählte ein alter Flussschiffer, »in Germersheim war’s.«
    »Ja, aber begraben haben sie ihn hier in der Heiliggeistkirche«, sagte ein anderer. »Das ganze Land war in Trauer.«
    »Woran ist er denn gestorben?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht, jedenfalls nicht an der Pest«, sagte ein Dritter. »Ich glaube, es war das Herz.«
    »Nein, das Herz war es nicht«, entgegnete wieder ein anderer. »Es war der Schlagfluss.«
    »Unsinn, ich habe gehört, er hätte eine Steinleber vom Saufen gehabt.«
    Es begann eine lebhafte Unterhaltung mit den seltsamsten Vermutungen über Philipps Todesursache, in die sich andere Gäste, die hinzugekommen waren, alsbald einmischten. Auch der Wirt hatte seine eigene Meinung, er behauptete, der Kurfürst sei an Geldgier gestorben. Auf die Frage: Warum?, erwiderte er, wenn jeder Gastwirt, der Wein ausschenke, ein Achtel seiner Einnahmen als Steuer zu zahlen habe, sei das der reine Wucher. Wucher wiederum sei eine der sieben Todsünden. Und überhaupt: Von Ludwig, dem Nachfolger, sei auch nichts Besseres zu erwarten.
    Ich versuchte, die Unterhaltung wieder in Bahnen zu lenken, die mich mehr interessierten, und fragte: »Wie geht es denn der fürstlichen Familie? Sind Pestopfer unter ihren Mitgliedern zu beklagen?«
    Zu meiner Erleichterung erfuhr ich, dass, soweit bekannt, alle bei guter Gesundheit waren. Damit hätte ich mich zufriedengeben können, aber ich wollte mehr wissen. »Und wie geht es den Schwestern des neuen Kurfürsten?«, fragte ich, woraufhin ich nur einiges über Amalie und Helene erfuhr. Ich sah mich deshalb genötigt, ganz direkt zu werden: »Und wie steht es mit der Zweitältesten, mit Odilie?«
    »Odilie ist schwanger«, rief einer vom Nebentisch herüber.
    Ein anderer lachte meckernd. »Da wird Christoph, der Weiberfreund, mal eine Nacht nicht ins Bordell gegangen sein, sondern in ihr Schlafgemach.«
    Ich versuchte mitzulachen, aber es gelang mir nicht. Eine Woge aus unterschiedlichsten Gedanken stürzte auf mich ein. Odilie schwanger vom Weiberfreund? Konnte das sein? War es nicht vielmehr so, dass …?
    »Was ist mit Euch, Herr Medicus? Ist Euch eine Laus über die Leber gekrochen?«
    Ich murmelte etwas Nichtssagendes und riss mich zusammen. »Und was hört man so über den Weiberfreund?«, fragte ich, um mein Interesse an Odilie zu überspielen.
    »Der hat’s immer noch am Auge«, antwortete einer der Männer. »Das zerfrisst ihn langsam von innen.«
    »Ja, möge er daran verrecken!«, bekräftigte ein anderer.
    »So ist es. Genauso ist es.«
    Der Weiberfreund schien nicht sonderlich beliebt beim Volk zu sein. Es gab niemanden, der das besser verstehen konnte als ich.
    Als die Männer an den Tischen, mittlerweile schon leicht bezecht, damit begannen, Mutmaßungen über seine Fähigkeiten im Bett anzustellen, reichte es mir. Ich zahlte und sagte zu Meister Karl: »Lasst uns gehen.«
    Auf dem Nachhauseweg ließ mich der Gedanke, dass Odilie schwanger war, nicht los. Ich stellte mir vor, dass es ein Junge werden würde, und ertappte mich dabei, wie ich zufrieden vor mich hin pfiff. Dann hielt ich inne, denn es gab irgendetwas, das mich dennoch bei alledem störte. Was war es nur? Seite an Seite gingen wir weiter, Meister Karl, mein treuer Schnapp und ich, und irgendwann, kurz bevor wir beim Pfründnerhaus eintrafen, wusste ich es.
    Es war der unangenehme Geruch nach Knoblauch, der über der Schankstube gelegen hatte.
     
    Den größten Teil des nächsten Tages verbrachte ich mit dem Advokaten, einem graugesichtigen Mann namens Baltasar Musäus, der seine Kanzlei in der Grabengasse betrieb. Musäus nahm es, seinem Beruf gemäß, in allem sehr genau, und sein kleinliches Gehabe langweilte mich

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