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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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überlegen«, sagte ich. »Hab einstweilen Dank für den Trunk. Wir müssen weiter.«
    »Un ich kann wirklich bleiben, Herr?«
    »Sicher, ich sagte es bereits. Wie wir alles im Einzelnen regeln, besprechen wir ein andermal. Erst will ich mit dem Advokaten reden.«
    »Ja, Herr.« Frieda knickste unbeholfen.
    »Kommt, Meister Karl«, sagte ich. »Komm, Schnapp, mein Großer. Es wird Zeit, dass wir eine Bleibe finden.«
    Als wir wieder draußen auf der Straße standen, blickte Meister Karl mich fragend an.
    »Ich glaube nicht, dass wir im Gebärhaus des Hospitals unterkommen so wie ich seinerzeit«, sagte ich. »Aber ich habe eine Idee. Ich kenne einen Mann, der uns vielleicht weiterhelfen kann.«
    Wir gingen zum Pfründnerhaus am Kornmarkt, wo uns eine der Kundigen Frauen aus dem Hospital entgegenkam. »Verzeiht«, sprach ich sie an, »wisst Ihr, ob ich den Spitalmeister Waldseer zu Hause antreffe?«
    Sie musterte mich und sagte: »Seid Ihr nicht der Medicus Lukas Nufer?«
    »Der bin ich«, antwortete ich. »Und Ihr, seid Ihr nicht Cecilia?«
    »So ist es. Ich soll Euch einen letzten Gruß von Rosanna ausrichten. Ich habe die Arme bis zu ihrem Tod gepflegt. Ein Hohn des Schicksals ließ sie nicht an der Pest sterben, sondern an dem unscheinbaren Biss eines Insekts. Die Wunde war klein, doch tückisch. Sie vergiftete Rosanna von innen, ohne dass es jemand rechtzeitig bemerkte. Wir trauern sehr um sie.«
    Ich schwieg betreten. Wie viele Menschen, die mir nahestanden, mochten noch gestorben sein?
    »Die Beerdigung war gestern«, fuhr Cecilia fort. »Es war eine kurze, schlichte Feier.«
    »Ja«, murmelte ich, »ja, ich verstehe. So viele sind dahingegangen, viel zu viele.«
    »Ihr sagt es. Meister Waldseer ist zu Hause.«
    »Wie bitte?« Meine Gedanken kreisten noch um Rosannas Tod, so dass ich die Worte im ersten Moment nicht verstand. »Ach ja, der Spitalmeister. Habt Dank, Cecilia. Wenn meine Zeit es erlaubt, will ich morgen oder übermorgen nach den Patienten sehen.«
    »Tut das, es wäre segensreich, Herr Medicus.«
    Cecilia entfernte sich, und ich klopfte an Waldseers Wohnungstür im Pfründnerhaus.
    Es dauerte nicht lange, da trat der massige Mann vor die Tür. Er schien kaum gealtert, hatte nach wie vor einen wallenden Bart und eine gerötete Nase, nur seine Miene war nicht mehr so fröhlich wie ehedem.
    Ich entbot die Tageszeit und fragte nach dem Befinden.
    »Der Wein schmeckt sauer, nach dem, was passiert ist, Herr Medicus«, antwortete er. »Aber die Zeit heilt alle Wunden, so heißt es. Zwei meiner Kinder hat die Pestilenz geholt, weil es dem Herrgott so gefiel. Doch uns andere hat er am Leben gelassen. Da wollen wir dankbar sein und ihn preisen. Was kann ich für Euch tun?«
    Ich hielt es für an der Zeit, Meister Karl vorzustellen, und sagte anschließend: »Ich nehme an, im Gebärhaus ist für uns beide kein Platz, habt Ihr nicht eine andere Bleibe für uns?«
    Waldseer zwirbelte seinen Bart in der ihm eigenen Art und sagte: »Mehrere Kammern für Knechte und Bedienstete sind in diesem Haus frei geworden. Die Pest hat sie leergefegt. Zwei davon könntet Ihr haben. Sie sind klein und liegen nach hinten raus, wenn Euch das nicht stört.«
    Ich blickte Meister Karl an, und dieser nickte.
    »Wir sind Euch sehr dankbar, Herr Spitalmeister.«
    »Gern geschehen. Aber ich glaube nicht, dass Ihr umsonst wohnen könnt. Die Höhe des Mietzinses müsste ein Vertreter des Stadtrates, in diesem Fall Professor Koutenbruer, bestimmen, und ich weiß nicht, wann der aus Oppenheim wiederkommt.«
    »Koutenbruer wollte nächste Woche zurück in Heidelberg sein«, sagte ich. »Wie Ihr wisst, hat er Familie, da zieht es sich nicht so schnell um.«
    »Wohl wahr.« Waldseer zwirbelte weiter an den Spitzen seines Bartes. »Dann klärt das in der nächsten Woche. Und nun entschuldigt mich, die Pflicht ruft.«
    Wenig später hatten wir unsere Kammern bezogen. Es war schon früher Abend, die Marktstände an der Heiliggeistkirche waren bereits abgebaut, so dass jemand, der wissen wollte, was es Neues in der Stadt gab, an anderer Stelle nachfragen musste. Ich überlegte kurz, klopfte dann an Meister Karls Kammertür und fragte: »Habt Ihr Lust auf einen Schluck in der
Sonne?
Es ist ein Wirtshaus, das ich empfehlen kann.«
    Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Meister Karl aus seiner Kammer trat. Wir hatten in Oppenheim häufiger abends bei einem Trunk zusammengesessen, und zwischen uns war eine Art zurückhaltender Freundschaft

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