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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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käme es aus einer Tonne. »Ich dachte nur, sie stellt Euch nach. Oder warum schlaft Ihr immer in der Kutsche? Eines wahren Gottesmannes ist das doch nicht würdig?«
    Ich wollte aufstehen und wortlos gehen, aber dann dachte ich, auf einen groben Klotz müsse ein grober Keil, genauso, wie die beiden Damen es gerade handhabten. »Jesus schlief in der Wüste auf nacktem Stein«, erwiderte ich. »Ihr aber sichert Euch stets die beste Kammer, ganz gleich, wo wir übernachten. Ist das eines gläubigen Christen würdig?«
    »Sackerment, Ihr versteht es, mit gleicher Münze zurückzuzahlen, Hochwürden!« Steisser schien nicht im Mindesten verletzt. »Aber es gibt nun mal Reiche und Arme auf Erden, und solange die Reichen von ihrem Reichtum abgeben, so, wie ich es tue, indem ich Euch ein Bier bezahle, hat die Bibel doch wohl nichts dagegen. Prosit.«
    »Prosit.« Ich trank mit ihm und fragte mich, worauf er hinauswollte.
    »Wie gesagt, die kleine Thérèse ist wirklich ein appetitlicher Happen. Sie hat mir erzählt, sie ginge zu einer Tante nach Heilbronn, um diese zu pflegen, stimmt das?«
    »Soweit ich weiß, ja. Warum fragt Ihr?«
    »Nun, Hochwürden, ich hätte da einen Vorschlag.« Der Fettwanst beugte sich vor und senkte die Stimme. »Statt zu der Tante nach Heilbronn zu gehen, könnte die kleine Hübschlerin doch weiter nach Würzburg fahren und in mein Haus kommen. Sagen wir, als meine persönliche Dienerin. Da würde es ihr gutgehen, das verspreche ich Euch. Könnt Ihr bei der Kleinen nicht ein gutes Wort für mich einlegen? Ihr habt doch gewiss Einfluss auf sie?«
    Darum also ging es. Steisser, dieser alternde Lüstling, wollte sich mit meiner Hilfe eine Bettgespielin anschaffen. Ein schamloses Ansinnen, das noch verwerflicher wurde, wenn man bedachte, dass er sich nicht scheute, es einem vermeintlichen Gottesmann gegenüber vorzubringen. Ich war drauf und dran, seinen Vorschlag aufs Schärfste zurückzuweisen, doch ich besann mich anders. Ich wollte sehen, wie weit der Fettwanst ging. »Und was würde aus Eurer Frau werden, wenn das Fräulein Thérèse, äh, unter Eurer Obhut stünde?«, fragte ich.
    Steisser winkte ab. »Das soll Eure Sorge nicht sein. Meine Alte macht’s nicht mehr lange. Irgendwas steckt in ihr, das sie von innen aushöhlt. Sie wird immer dünner und immer blasser, dabei isst sie genauso regelmäßig wie ich. Bald fällt sie um, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Was ist nun, werdet Ihr Euch bei der Kleinen für mich verwenden?«
    »Niemals.«
    »Was?«
    »Ich sagte, niemals.«
    »Nicht so schnell, Hochwürden.« Der Fettwanst gab noch nicht auf. »Hört erst, was ich Euch, ich meine, der Kirche, zu bieten habe. Es wäre mir zehn Gulden wert, die ich Euch noch heute Abend zustecken würde.« Wieder zwinkerte er mit einem Auge. »Ihr könntet die Summe dem Bischof von Würzburg geben, damit Ihr Euch bei ihm ins rechte Licht rückt oder, äh, bei Bedarf auch für Euren eigenen Opferstock verwenden.«
    Ich musste mich beherrschen, um dem Kerl nicht an die Gurgel zu springen, denn er widerte mich an. Es gab genügend Bischöfe, Pröpste oder Priester, die sein Angebot angenommen hätten, das wusste ich, und diese sogenannten Vertreter Gottes widerten mich genauso an. Sie hätten sich gesagt, Thérèse ist ohnehin von leichtem Blut, sie wird ihren Weg schon machen, und wenn dieser Weg durch das Schlafzimmer eines fetten Zunftmeisters geht, so ist das ihre Sache. Jeder ist seines Glückes Schmied. Und zehn Gulden sind leicht verdientes Geld.
    »Fräulein Thérèse ist ein anständiges Mädchen. Sie kommt aus ehrbarem Hause. Zufällig kenne ich ihre Eltern«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ich Thérèse Euren geilen Händen überlasse. Mit Eurem schändlichen Angebot verratet Ihr überdies Eure Frau.«
    »Ist das Euer Ernst?«
    »Behalte deine Silberlinge, Judas.«
    Der Dicke schluckte. »Wie Ihr wollt.« Ein hinterhältiger Blick aus kleinen Äuglein streifte mich, doch das war mir einerlei. Ich hatte genug von seiner Gesellschaft und ging hinüber zu den streitbaren Frauen. Doch der Zwist war beendet, denn Steissers Frau lag totenbleich am Boden, den Mund geschlossen wie ein Strich. Thérèse beugte sich über sie und versuchte, ihr einen Schluck Wasser einzuflößen, aber es gelang nicht. »Plötzlich ist sie umgefallen«, sagte sie. »Frag mich nicht, warum.«
    Ich schob die Schar der neugierigen Zecher zur Seite und kniete neben

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