Der Medicus von Heidelberg
Beine und verbeugte sich theatralisch vor ihr. Seine Kumpane taten es ihm unter mancherlei anzüglichen Rufen gleich.
Inzwischen war auch der letzte der Insassen aus der Kutsche gezerrt worden. Es handelte sich um einen kostbar gewandeten Herrn in mittlerem Alter, der laut gegen die Behandlung protestierte, doch mit einem brutalen Schlag ins Gesicht zum Schweigen gebracht wurde. Hilflos musste er mit ansehen, wie zunächst ihm und dann seiner Begleiterin alles, was von Wert war, abgenommen wurde. Ketten, Ringe, Spangen, Schmuck. Der jungen Schönen rissen die Unholde sogar das goldbestickte Kleid vom Körper und johlten vor Lachen, als sie, zitternd und nur noch mit der nötigsten Leibwäsche bekleidet, vor ihnen stand.
»Genug der Posse.« Drei Ritter, jeder auf einem Schlachtross sitzend, waren auf der Bildfläche erschienen. Der Sprecher hob die Hand. »Man soll seine Feinde schlagen, aber nicht erniedrigen. Gebt dem Mädchen das Kleid zurück.« Augenblicklich gehorchten die Landsknechte. Der kostbar gewandete Herr nahm dies zum Anlass, mit fester Stimme zu rufen: »Mein Name ist Adam Wernher von Themar, Doktor beider Rechte, Professor für Kirchenrecht und zweimaliger Rektor der Ruperto Carola, der Universität zu Heidelberg! Ich begehre zu wissen, wer diese ungeheuerlichen Taten zu verantworten hat!«
Der Sprecher der Ritter lachte. »Brav gemeckert! Aber das Leben ist manchmal grausam, was ein Bücherwurm wie Ihr erst noch lernen muss.«
»Wer seid Ihr?«
»Hoho, der Wissensdurst des Gelehrten! Nun, er soll gestillt werden.« Der Sprecher klappte sein Visier hoch und ließ ein von Narben bedecktes Gesicht erkennen. »Ich bin Hans Talacker von Massenbach, und das sind meine beiden Gefährten im Kampf, die Brüder Götz und Philipp von Berlichingen.«
»Ich werde Eure Namen an entsprechender Stelle melden und dafür sorgen, dass Ihr zur Rechenschaft gezogen werdet!«
»Ihr werdet gar nichts. Außer froh sein, mit dem Leben davongekommen zu sein.«
Von Themar ballte die Faust. »Ich verlange, dass Ihr mir einen neuen Kutscher stellt, damit ich die Fahrt fortsetzen kann. Augenblicklich!«
»Abgelehnt!«
»Was wollt Ihr denn noch? Ihr habt geraubt und gemordet, Ihr habt Taten verübt, die ohnegleichen sind und die Ihr dereinst vor Eurem Herrgott zu verantworten haben werdet. Genügt das nicht?«
»Nein, Bücherwurm. Wir nehmen noch das schöne Kind als Geisel.«
Von Themar wurde weiß wie die Wand. »Das … das ist unmöglich!«
»Und ob das möglich ist.« Es war Philipp von Berlichingen, der das sagte.
»Das darf nicht sein!«
»Und warum nicht, wenn man fragen darf?«, ergänzte sein Bruder Götz.
»Sie ist … sie ist meine Tochter.«
Angesichts dieser Antwort brachen die drei Ritter in großes Gelächter aus, und Götz von Berlichingen stieg klirrend von seinem Ross und trat auf die junge Schöne zu. Er schob seine rechte Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. »Soso«, sagte er spöttisch. »Eure Tochter ist das also? Und ich hätte geschworen, dass es sich bei ihr um keine Geringere als das kleine adlige Fräulein Odilie handelt, die hübscheste der Töchter seiner Durchlaucht Philipp des Aufrichtigen, bekannt auch als Kurfürst von der Pfalz.«
Von Themar sagte mit leiser, hasserfüllter Stimme: »Verflucht sollt Ihr sein!«
»Hütet Eure Zunge.«
»Möge Euch die Hand abfallen!«
Talacker mischte sich ein. »Redet Euch nicht um Kopf und Kragen, von Themar. Die Kleine wird ein schönes Lösegeld bringen, genauso wie Ihr. Denn Ihr als Lehrer seiner Kinder werdet Philipp ebenfalls ein erkleckliches Sümmchen wert sein. Und nun genug geschwätzt. Ich werde Philipp in Heidelberg durch Götz von Berlichingen und seinen Bruder wissen lassen, wie viel ich für die Freilassung seines Töchterchens verlange. Und Philipp wird einen Emissär entsenden zum Sitz derer von Massenbach in Talacker bei Weil und mir die Summe auf Heller und Pfennig zahlen. Anderenfalls wird der Aufrichtige Philipp einen aufrichtigen Grund zur Trauer haben.«
Er lachte über seinen platten Scherz, und seine Mitstreiter lachten geflissentlich mit. Dann fand er Zeit, sich unserer anzunehmen. Er ritt heran und fragte den Einäugigen: »Was hat es mit der zweiten Kutsche auf sich, Pirmin?«
»Sie folgte der ersten Kutsche, Herr.«
»Das habe ich mir gedacht. Ich will wissen, wer die Zügel hält.«
»Nun.« Der einäugige Pirmin zögerte. »Wie es scheint, ist es ein Pfaffe, der …«
»Soso, ein Pfaffe.
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