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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Gerätschaften wie Lunula, Custodia oder Thuribulum fehlten mir. Um mein Auftreten als Mann Gottes möglichst glaubhaft zu machen, schloss ich die Andacht mit einem Vaterunser auf Latein:
    »Pater noster, qui es in caelis:
    sanctificetur nomen tuum.
    Adveniat regnum tuum.
    Fiat voluntas tua,
    sicut in caelo, et in terra …«
    Ich sprach das ganze Gebet, fügte ein »Amen« an und forderte Steisser auf, mit mir das Grab zuzuschaufeln.
    Doch er machte keine Anstalten dazu. »Wollt Ihr uns nicht abschließend Euren Segen geben, Hochwürden?«, fragte er stattdessen.
    Das brachte mich in Verlegenheit. Durfte ich, ein einfacher Christ, der nicht die Ordensgelübde abgelegt hatte, andere Gläubige segnen? Gewiss war das nicht der Fall. Aber wenn ich meine Maskerade aufrechterhalten wollte, konnte ich die Bitte nicht ablehnen. Ich breitete deshalb die Arme aus und murmelte:
»Dominus vobiscum. Et cum spiritu tuo. Sit nomen Domini benedictum …«
Der weitere Text war mir nicht genau bekannt. Ich hatte ihn zwar häufig gehört, aber nie besonders darauf geachtet. Doch ich sprach fließend Latein, und so fiel es mir leicht, den Anfang sinngemäß zu ergänzen. Steissers Gesicht war anzusehen, dass er die Täuschung nicht bemerkte. Das beruhigte mich. Ich begann, Erde ins Grab zurückzuschaufeln, aber der Fettwanst beteiligte sich nicht daran. Er hatte eine weitere Frage: »Warum tragt Ihr als Gottesmann eigentlich kein Kreuz um den Hals?«
    Das brachte mich erneut in Schwierigkeiten. Ich versuchte es mit einer Gegenfrage: »Wollt Ihr Euch vor der Arbeit drücken, oder warum lenkt Ihr dauernd ab?«
    »Ich will nur wissen, warum Ihr kein Kreuz tragt«, versetzte er hartnäckig. Dabei blickte er Beifall heischend zu seiner Frau, die natürlich zustimmend nickte.
    »Dann will ich Euch antworten: Ich trage kein Kreuz, weil unser Herr Jesus es auch nicht tat. Weder, als er Wunder vollbrachte, noch, als er predigte. Erst ganz am Ende, als er verraten worden war, musste er das schwere Holzkreuz, an dem er gekreuzigt werden sollte, nach Golgatha tragen. Erwartet Ihr etwa Gleiches von mir?«
    Damit hatte ich ihn in die Enge getrieben. Er suchte nach Worten, doch ihm fiel nichts ein.
    »Wir wollen jetzt diese Frau begraben«, sagte ich bestimmt.
    »Ja, Hochwürden«, antwortete er, doch er sah dabei aus, als müsse er eine Kröte schlucken. Gleichwohl packte er endlich mit an, und alsbald war das Grab geschlossen. Thérèse hatte unterdessen ein paar Wildblumen und Gräser gepflückt, die sie auf den kleinen Erdhügel legte, und ich tat ein Übriges, indem ich mit der Ecke des Spatenblattes Gertruds Namen in den Findling ritzte. Es gelang mir nicht besonders gut, und wahrscheinlich würde der Schriftzug schon nach kurzer Zeit unlesbar sein, aber es war besser als nichts.
    »Gibt es in Durlach eine gute Herberge?«, fragte Thérèse und schreckte mich damit aus meinen Gedanken auf.
    »Wenn ich das wüsste«, antwortete ich. »Du scheinst mich mit Gertrud zu verwechseln.«
    Meine Stimme mochte etwas gereizt geklungen zu haben, denn Thérèse sagte besänftigend: »Tu ich nicht, aber du kutschierst schon fast genauso gut wie sie.«
    Das war natürlich übertrieben. Trotzdem tat mir das Lob gut. Es war ein großer Unterschied, ob man die Zügel nur für eine oder zwei Meilen hielt oder den ganzen Tag. Allmählich begriff ich, welch zähe Ausdauer in der alten Gertrud gesteckt hatte.
    Wir fuhren eine Weile weiter, beide in dicke Filzdecken gehüllt, denn es war kalt an diesem Tag. Fast beneidete ich den Fettwanst Steisser, der mit seiner Frau in der windgeschützten Kutsche saß und nur dann und wann seinen Krötenkopf aus dem Fenster reckte, um sich nach Dingen zu erkundigen, die ich ebenso wenig beantworten konnte wie Thérèses Frage nach einer guten Herberge in Durlach. Immerhin schien der Fettkloß nicht mehr an mir als Gottesmann zu zweifeln, worüber ich froh war, denn ich hatte andere Sorgen. Ein paar Bauern hatten mir am Tag zuvor erzählt, die Späher des Bayernherzogs Albrecht trieben sich in der Gegend herum, sie seien auf der Suche nach den Truppen des Pfalzgrafen Ruprecht, die gestellt und in einer Schlacht geschlagen werden sollten. Mehr dazu hatten sie nicht sagen können. Dennoch beschäftigte mich die Nachricht stärker, als mir lieb war, zumal auch Gertrud schon von der Fehde zwischen Albrecht und Ruprecht gesprochen hatte.
    Seitdem ich die Zügel übernommen hatte, spürte ich eine nicht geringe Verantwortung

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