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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gerüsteter Ritter dazugekommen. »Ihr versperrt die Straße für die, die schneller sind als Ihr. Zur Seite, macht schon!«, befahl er.
    Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Kutsche auf das steinige, unebene Gelände neben dem Weg zu lenken. Es rumpelte gehörig, und ich hörte Steisser drinnen fluchen, aber er traute sich nicht, den Kopf aus dem Fenster zu stecken und sich zu beschweren.
    Kaum hatte ich unser Gefährt beiseite kutschiert, vernahm ich das dumpfe Dröhnen vieler Hufe. Eine prächtige schwarze Kutsche, gezogen von vier edlen Rössern, näherte sich mit hoher Geschwindigkeit und passierte uns. Kaum war sie vorbei, gaben die zwei Ritter ihren Pferden die Sporen und preschten grußlos hinterher.
    »Puh, was war das denn?«, fragte Thérèse.
    »Jemand, der es offenbar eilig hatte.«
    »Bestimmt saßen sehr vornehme Herrschaften in dem Wagen. Schade, dass alles so schnell ging. Hätte zu gern mal reingeguckt.«
    Wir fuhren wieder auf die Straße und kamen alsbald in ein Gelände, das von Sandsteinvorkommen geprägt war. Hier und da konnten wir Arbeiter beobachten, die das Gestein mit schweren Hämmern und stählernen Keilen herausbrachen. Allmählich verjüngte sich die Straße, sie wurde zum Weg, der sich in vielen Windungen durch die Landschaft schlängelte. Vor uns tauchte eine Gruppe Kiefern auf, deren Wurzeln trotz des steinigen Bodens Halt gefunden hatten, und ich dachte, dass die prächtige Kutsche unter diesen Umständen gewiss nicht ihre Geschwindigkeit beibehalten hatte und wir sie deshalb bald einholen würden, als der Weg unversehens eine scharfe Biegung machte.
    Und richtig: Hinter dieser Biegung sah ich die Kutsche wieder.
    Jedoch ganz anders als erwartet. Sie wurde umzingelt von buntgekleideten, schwerbewaffneten Männern, die ich im ersten Augenblick für Anhänger der Bundschuhbewegung hielt. Doch gleich danach fiel mir ihre einheitliche Kleidung auf, und ich kam zu dem Schluss, dass es sich um Landsknechte handeln musste. Sie lieferten sich mit den Beschützern der Kutsche, den beiden kurpfälzischen Rittern, einen hitzigen Kampf. Ich sah, wie sie deren Schwerthieben immer wieder geschickt auswichen, bis es ihnen gelang, sie mit ihren Hellebarden vom Pferd zu stoßen. Damit hatte sich das Blatt gewendet. Denn am Boden waren die Ritter in ihren schweren Harnischen verloren. Unter infernalischem Geheul wurden sie gnadenlos niedergemacht. Der helle Sandstein färbte sich rot.
    Das alles fand innerhalb kürzester Zeit statt, keine dreißig Schritte von mir entfernt. Wie gebannt starrte ich auf das grausame Geschehen und hatte nur noch einen Gedanken: Flucht! Ich wollte die Kutsche wenden, doch es war zu spät. Hinter uns waren weitere Landsknechte aufgetaucht und versperrten uns den Weg. Ein hagerer, einäugiger Kerl, offenbar der Anführer der Gruppe, rief: »Sieh da, so kann es gehen! Man will eine Kutsche kassieren und kriegt gleich deren zwei. Du rührst dich nicht vom Fleck, Pfaffe, oder du kommst früher ins Paradies, als dir und deinem Flittchen lieb ist.«
    Ich war nicht fähig, zu antworten. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, und als wäre das nicht schon genug, schien sich in der Ferne ein Gewitter mit Donnergrollen zusammenzubrauen. Thérèses Hand krallte sich angstvoll um meinen Arm. Ich wollte sie beruhigen, wollte ihr bedeuten, sie solle, um Himmels willen, den Mund halten, damit sie ja kein falsches Wort sage, doch zu alledem war ich nicht fähig. Ich hatte nur eines: gottserbärmliche Angst.
    Nachdem die Ritter ihr Leben ausgehaucht hatten, wurde dem Kutscher des Gefährts der Garaus gemacht. Einen Herzschlag später riss einer der Landsknechte die Kutschentür auf und zerrte zwei junge Burschen in Livree heraus. Offenbar die Lakaien der Herrschaft. Sie wurden ohne viel Federlesens ebenfalls getötet. Einer der Mörder schrie lachend: »Nun ist es so weit, komm heraus, Täubchen, damit wir dir die Ehre erweisen können!«
    Tatsächlich erschien kurz darauf ein zierlicher Schuh in der Kutschentür und trat auf die oberste Stufe des ausklappbaren Treppchens. Es folgte eine strahlend weiße, goldbestickte Robe und eine bis zum Ellbogen behandschuhte Hand, die sich dem Rufer entgegenstreckte. Der Landsknecht, der eben noch getötet hatte, ergriff sie. Jedoch nicht, um artig behilflich zu sein, sondern um grob daran zu ziehen. Taumelnd fiel ihm ein bildschönes, junges Mädchen in die Arme.
    »Hoppla, wen haben wir denn da!« Er lachte, stellte das Mädchen wieder auf die

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